Bleakhouse
Hausfrau hier bist, mußt du so fröhlich sein wie ein Vogel. Du mußt überhaupt immer fröhlich sein, und deshalb wollen wir jetzt damit gleich ein für alle Mal anfangen.«
Ich löste mir vollends das Haar. Ich mußte noch ein wenig schluchzen, aber bloß weil ich geweint hatte, sonst war ich wieder ganz gefaßt und ruhig.
»Also, liebe Esther, du bist jetzt für dein ganzes Leben glücklich. Glücklich unter deinen besten Freunden, glücklich in dem gewohnten heimischen Haus, glücklich in der Möglichkeit, viel Gutes tun zu können, und unverdient glücklich, von dem besten aller Menschen geliebt zu werden.«
Dann dachte ich mir, was ich wohl gefühlt und getan haben würde, wenn mein Vormund eine andre geheiratet hätte. Wie so ganz anders wäre da alles gewesen! Mein Leben stellte sich mir bei dem Gedanken daran in einer so neuen Form und so inhaltsleer dar, daß ich mit meinen Wirtschaftschlüsseln klingelte und sie freudig küßte, bevor ich sie wieder in das Körbchen zurücklegte.
Dann, während ich mir das Haar vor dem Spiegel für die Nacht aufsteckte, dachte ich daran, wie oft ich mir schon vorgehalten hatte, daß die tiefen Spuren, die meine Krankheit zurückgelassen, und die Umstände meiner Geburt nur neue Gründe für mich wären, sehr, sehr, sehr tätig zu sein und mich liebenswürdig und dienstfertig zu erweisen in jeder Hinsicht. Das wäre jetzt so die richtige Zeit gewesen, sich betrübt hinzusetzen und zu weinen! Und war es so sonderbar, was jetzt werden sollte? Und warum sollte es sonderbar sein? Andre Leute hatten daran gedacht. »Erinnerst du dich, meine Liebe«, sagte ich zu meinem Spiegelbild, »was Mrs. Woodcourt darüber zu dir sagte, noch ehe diese Narben hier waren?«
Vielleicht erinnerte mich der Name an die getrockneten Blumen. Besser, sie jetzt nicht mehr aufzubewahren. Ich hatte sie nur zur Erinnerung an etwas, was jetzt für immer vorüber war, aufgehoben. Besser, sie jetzt nicht länger mehr aufzuheben.
Sie lagen in einem Buch, das sich zufällig in dem anstoßenden gemeinschaftlichen Zimmer zwischen Adas Schlafgemach und dem meinen befand. Ich nahm eine Kerze und ging leise hinein, um es zu holen. Als ich es in der Hand hielt, sah ich meinen schönen Liebling durch die offne Tür im Schlaf daliegen und küßte sie leise.
Ich weiß wohl, es war eine Schwäche, und ich konnte keinen Grund haben, zu weinen, aber ich ließ eine Träne auf ihr liebes Gesicht fallen, und noch eine und noch eine. Und was noch eine größere Schwäche war, ich nahm die verwelkten Blumen aus dem Buch und hielt sie ihr einen Augenblick an die Lippen. Ich dachte dabei an ihre Liebe zu Richard, obgleich im Grund die Blumen nichts damit zu tun hatten. Dann nahm ich den Strauß in mein Zimmer und verbrannte ihn am Licht, und im Augenblick war er zu Asche geworden.
Als ich am nächsten Morgen in das Frühstückszimmer trat, fand ich meinen Vormund ganz wie gewöhnlich dort. So offen, frei und herzlich wie immer. Nicht das mindeste von gezwungnem Wesen war an ihm zu bemerken, und auch bei mir nicht, hoffe ich. Ich war im Lauf des Vormittags mehrere Male mit ihm allein und dachte, er werde von dem Brief zu sprechen anfangen. Aber er sagte kein Wort.
So war es auch am nächsten Morgen und am übernächsten und die ganze Woche lang, bis zu welcher Zeit Mr. Skimpole seinen Besuch bei uns ausdehnte.
Ich erwartete jeden Tag, daß mein Vormund von dem Brief anfangen werde, aber er sagte kein Wort.
Ich wurde schließlich unruhig und überlegte, ob ich ihm nicht schriftlich antworten sollte. Ich versuchte es nachts in meinem Zimmer immer und immer wieder mit einem Brief, aber ich konnte keine Antwort zustande bringen und keinen richtigen Anfang finden. Und so verschob ich es von Tag zu Tag. Ich wartete eine ganze Woche, und er spielte noch immer nicht auch nur mit einem Wort darauf an.
Endlich war Mr. Skimpole abgereist, und wir drei wollten eines Nachmittags eine Spazierfahrt miteinander machen. Früher mit dem Ankleiden fertig als Ada, ging ich hinunter und fand hier meinen Vormund, den Rücken mir zugekehrt, zum Salonfenster hinaussehen.
Er drehte sich um, als ich eintrat, und sagte lächelnd:
»Ach, du bist es, kleines Frauchen.«
Dann sah er wieder hinaus.
Ich hatte mir vorgenommen, diesmal mit ihm zu sprechen. Kurz, ich war eigentlich zu diesem Zweck heruntergekommen. »Vormund«, sagte ich etwas zögernd und zitternd, »wann wünschest du die Antwort auf den Brief zu haben, den Charley geholt
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