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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Hand.«
    Er nahm sie, zog sie durch seinen Arm und sah mit derselben natürlichen Frische und Treuherzigkeit auf mich herab, mit der alten väterlichen Weise, die mich damals in einem Augenblick in seinem Hause mich hatte heimisch fühlen lassen, und sagte:
    »Du hast gewisse Veränderungen in mir hervorgebracht, kleines Frauchen, seit jenem Wintertag in der Landkutsche. Vom ersten bis zum letzten Tag seit jener Zeit hast du mir unendlich viel Gutes getan.«
    »Ach, Vormund, was hast du erst für mich alles getan!«
    »Daran«, wehrte er ab, »darf jetzt nicht gedacht werden.«
    »Ich kann es aber nie vergessen.«
    »Esther«, sagte er mit sanftem Ernst, »es muß aber jetzt vergessen werden. Eine Weile wenigstens vergessen werden. Du sollst jetzt nur daran denken, daß nichts, was auch kommen mag, mich anders machen kann, als ich dir je erschienen bin. Bist du davon felsenfest überzeugt, liebes Kind?«
    »Ja, felsenfest.«
    »Dann ist es gut. Weiter wünsche ich nichts. Aber trotzdem darf ich das nicht auf ein Wort hin glauben. Ich will das, woran ich denke, dir nicht eher schreiben, als bis du dir auch innerlich ganz klar darüber bist, daß mich nichts anders machen kann, als wie du mich kennst. Wenn du im mindesten daran zweifelst, so schreibe ich nie. Wenn du aber nach reiflicher Überlegung noch immer davon überzeugt sein wirst, so schicke Charley heute in acht Tagen am Abend zu mir – 'wegen des Briefes'. Aber bist du deiner Sache nicht ganz gewiß, dann schicke sie nie. Bedenke, ich verlasse mich auf deine Wahrhaftigkeit in diesem wie in allen andern Punkten. Also wenn du dir über diesen einen Punkt nicht ganz klar bist, so schicke sie nicht.«
    »Vormund«, sagte ich, »ich bin mir darüber vollständig klar. Diese Überzeugung kann sich in mir ebensowenig mehr ändern, als du jemals gegen mich anders werden könntest. Ich werde Charley um den Brief schicken.«
    Er schüttelte mir die Hand und sagte weiter kein Wort. Auch während der ganzen Woche berührte er das Gespräch nicht mit einer Silbe.
    Als der festgesetzte Abend kam, sagte ich zu Charley, als ich mich zurückgezogen hatte: »Geh und klopfe an Mr. Jarndyces Tür und sage, du kämst von mir wegen des Briefes.«
    Charley ging die Treppen hinauf und die Treppen hinab und die Gänge entlang, und der Zickzackweg durch das altmodische Haus erschien meinen lauschenden Ohren diesen Abend unendlich lang zu dauern. Dann kam sie zurück, die Gänge entlang, die Treppen herunter, die Treppen herauf, und brachte den Brief.
    »Lege ihn auf den Tisch, Charley«, sagte ich.
    Und Charley legte ihn auf den Tisch und ging zu Bett. Ich setzte mich hin und sah das Schreiben an, ohne es in die Hand zu nehmen, und mancherlei ging mir durch den Kopf.
    Ich durchlebte im Geiste die Zeit meiner umdüsterten Kindheit bis zu dem schweren Tag, wo meine Tante, das entschloßne Gesicht so kalt und starr, als Leiche dalag und ich bei Mrs. Rachael einsamer war, als hätte ich gar niemand auf der Welt gehabt, um mit ihm ein Wort oder einen Blick zu tauschen. Ich ging zu den anders gewordnen Tagen über, wo ich so glücklich war, überall um mich herum Freunde zu finden und von ihnen geliebt zu werden. Dann kam die Zeit, wo ich das erste Mal meinen Liebling sah und sie mich mit der schwesterlichen Liebe umfing, die den Glanz und die Schönheit meines Lebens bildete. Ich erinnerte mich an den ersten freundlichen Willkommensschimmer, der in der kalten hellen Nacht unsrer Ankunft aus diesen selben Fenstern hier auf unsre erwartungsvollen Gesichter gefallen und seit jener Zeit nie blasser geworden war. Noch einmal lebte ich mein ganzes glückliches Leben hier durch, meine Krankheit und meine Genesung, und mußte daran denken, wie verändert ich war und wie unverändert alle rings um mich. Und all dieses Glück strahlte wie ein Licht von einem Mittelpunkte aus. Von demselben, der mir dieses Briefchen hier auf dem Tisch geschickt.
    Ich öffnete es und las es. Er war so eindringlich in seiner Liebe zu mir, und seine uneigennützigen Warnungen und die rücksichtsvolle Zartheit in jedem Wort machten, daß meine Augen sich zu oft verschleierten, als daß ich lange Zeit hintereinander hätte fortlesen können. Aber ich las den Brief drei Mal durch, ehe ich ihn hinlegte. Ich hatte schon vorher geglaubt, seinen Inhalt ahnen zu können, und sah mich nicht getäuscht.
    Er fragte mich, ob ich die Herrin von Bleakhaus werden wollte.
    Es war kein Liebesbrief, obgleich sich so unendlich viel

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