Bleakhouse
diese Worte mit lauter, gastfreundlicher Stimme sprach, umarmte Ada und mich, küßte uns beide mit väterlicher Zärtlichkeit und zog uns durch die Vorhalle in ein kleines Zimmer, das in dem Schein eines hellen Feuers förmlich glühte. Hier küßte er uns nochmals, ließ uns los und hieß uns nebeneinander auf einem Sofa, das vor den Kamin gerückt war, Platz nehmen.
Ich hatte das Gefühl, er würde auf der Stelle fortgelaufen sein, wenn wir die mindesten Umstände gemacht hätten.
»So Rick«, sagte er, »jetzt habe ich eine Hand frei. Ein Wort aus dem Herzen ist so gut wie eine Rede. Ich freue mich außerordentlich, Sie zu sehen. Sie sind hier zu Hause. Wärmen Sie sich.«
Richard schüttelte ihm beide Hände mit einem natürlichen Gemisch von Verehrung und Freimut und sagte bloß – obgleich mit einer Innigkeit, die mich fast beunruhigte, denn ich fürchtete, Mr. Jarndyce werde plötzlich verschwinden –:
»Sie sind sehr gütig, Sir. Wir sind Ihnen sehr, sehr verbunden!« Dann legte er Hut und Mantel ab und trat ans Feuer.
»Und wie hat Ihnen die Fahrt gefallen, und wie hat Ihnen Mrs. Jellyby gefallen?« wendete sich Mr. Jarndyce an Ada.
Während Ada ihm antwortete, betrachtete ich – ich brauche wohl nicht zu sagen, mit welchem Interesse – sein Gesicht. Es war ein hübsches frisches Gesicht voll Bewegung und Leben, und das Haar war ein silbernes Eisengrau. Er schien den Sechzigern näher als den Fünfzigern zu sein, sah aber gerade, frisch und kräftig aus.
Vom ersten Augenblick an war mir seine Stimme irgendwie bekannt vorgekommen, aber jetzt erinnerten mich etwas Rasches in seinem Wesen und ein gewinnender Ausdruck in seinen Augen an den Herrn in der Landkutsche vor sechs Jahren an jenem denkwürdigen Tage meiner Reise nach Reading. Ich war fest überzeugt, daß er jetzt vor mir stand.
Ich bin in meinem ganzen Leben nicht so erschrocken, wie als ich diese Entdeckung machte, denn unsere Blicke begegneten sich, er schien meine Gedanken zu lesen und sah sich in einer Weise nach der Türe um, daß ich schon fürchtete, wir hätten ihn verloren.
Zum Glück blieb er da und fragte mich, was ich von Mrs. Jellyby hielte.
»Sie gibt sich außerordentlich viel Mühe mit Afrika, Sir.«
»Kolossal!« bestätigte Mr. Jarndyce. »Aber Sie geben dieselbe Antwort wie Ada.«
– Ich hatte nicht gehört, was sie sagte. –
»Ihr scheint mir alle noch einen Nebengedanken zu haben.«
»Es kam mir ein bißchen so vor«, gestand ich mit einem Blick auf Richard und Ada, die mir zuzwinkerten, ich solle doch sprechen, »als ob sie sich nicht allzusehr um ihre Wirtschaft bekümmere.«
»Donnerwetter!« rief Mr. Jarndyce aus.
Ich erschrak schon wieder.
»Ja, ja! Ich möchte Ihre wahren Gedanken wissen, mein Kind. Ich habe Sie vielleicht mit Absicht hingeschickt.«
»Wir glaubten«, begann ich zögernd, »daß es sich vielleicht gehöre, mit den Verpflichtungen gegen die eigne Häuslichkeit zu beginnen, und daß, solange diese übersehen und vernachlässigt sind, keine andern Pflichten an ihre Stelle treten sollten.«
»Die kleinen Jellybys«, kam mir Richard zu Hilfe, »sind wirklich, um einen starken Ausdruck zu gebrauchen, Sir, – in einem ganz verteufelten Zustand.«
»Sie meint es gut«, fiel Mr. Jarndyce hastig ein. »Es ist Ostwind.«
»Auf der Fahrt hatten wir Nordwind, Sir«, bemerkte Richard.
»Lieber Rick« – Mr. Jarndyce schürte das Feuer – »ich möchte einen Eid ablegen, daß wir entweder Ostwind haben oder daß er gleich einsetzen wird. Ich verspüre immer ein unbehagliches Gefühl, wenn der Wind aus Osten weht.«
»Wohl Rheumatismus, Sir?«
»Wahrscheinlich, Rick; ich glaube, es ist so. – Also die kleinen Jell – ich habe so meine Gedanken darüber gehabt – sind in einem – o Gott ja, es ist Ostwind«, sagte Mr. Jarndyce.
Er ging zwei oder drei Mal mit dem Schüreisen unentschlossen in der Stube auf und ab, während er diese abgerissenen Worte sprach, fuhr sich mit einer so gutmütigen Verlegenheit durch die Haare und sah dabei so komisch und liebenswürdig zugleich aus, daß wir uns mehr über ihn freuten, als wir wahrscheinlich in Worten hätten ausdrücken können. Er reichte Ada und mir den Arm, bat Richard, ein Licht zu nehmen, und wollte uns hinausführen, als er plötzlich mit uns allen wiederumkehrte.
»Die kleinen Jellybys! Konntet ihr nicht – warum habt ihr nicht –, na, wenn es z. B. Kuchen und Johannisbeertorten oder so etwas geregnet hätte?« fing
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