Bleakhouse
selbst Seine Lordschaft finden würden, wenn sie rund um dieselbe herumzureisen und an dem Rande, wo sie zu Ende geht, stehen zu bleiben geruhten, ist sie nur ein kleines Stückchen. Es ist viel Gutes darin; es leben brave und ehrliche Leute in ihr; sie füllt ihren bestimmten Platz aus, aber das Schlimme an ihr ist, daß sie zu sehr in feine Baumwolle eingewickelt ist und die brausenden Wogen der größeren Welt nicht hören kann und nicht sehen, wie sie um die Sonne kreist. Es ist eine verdorrende Welt, und ihr Wachstum ist zuweilen behindert durch den Mangel an Luft.
Lady Dedlock ist auf einige Tage in ihre Stadtwohnung zurückgekehrt, ehe sie nach Paris reist, wo sie sich einige Wochen aufhalten wird. Wohin sie sich später zu begeben gedenkt, ist noch ungewiß. Die »fashionablen Nachrichten« verkünden es zum Troste der Pariser, und sie wissen alles, was in der vornehmen Welt geschieht. Etwas anderes zu wissen wäre unchic.
Mylady Dedlock kommt von ihrem Landsitz in Lincolnshire. Die Wasser sind über die Ufer getreten in Lincolnshire. Ein Brückenbogen im Park ist unterwaschen und eingesunken. Die nahe Niederung, eine halbe englische Meile breit, ist ein Sumpf geworden. Mit melancholischen Bäumen als Inseln darin und einer Oberfläche, die den ganzen Tag lang bei dem fallenden Regen wie punktiert aussieht.
Lady Dedlocks Landsitz ist sehr ungemütlich geworden. Das Wetter ist seit vielen Tagen und Nächten so naß gewesen, daß die Bäume bis unter die Rinde durchweicht sind und die feuchten Späne, wenn sie der Holzfäller abhaut, sich geräuschlos vom Stamme trennen und ohne Laut zu Boden fallen. Das Wild trieft und läßt Pfützen zurück, wohin es tritt. Der Schuß aus der Büchse verliert seinen scharfen Knall in der feuchten Luft, und der Rauch schwebt langsam in einer kleinen Wolke der grünen, buschgekrönten Höhe zu, die einen Hintergrund für den fallenden Regen bildet. Die Aussicht aus den Fenstern Lady Dedlocks ist eine Landschaft, abwechselnd in Bleizeichnung und in Tusche. Die Vasen auf der Terrassenmauer im Vordergrund fangen den Regen auf den ganzen Tag, und die schweren Tropfen fallen trip, trip, trip auf die breiten Sandsteinplatten des Ganges, der schon seit alter Zeit der »Geisterweg« heißt. Sonntags riecht die kleine Kirche im Park modrig; die Eichenkanzel bricht in kalten Schweiß aus, und ein Geruch und Geschmack liegt in der Luft, der an die Gräber der alten Dedlocks erinnert.
Lady Dedlock, die kinderlos ist, hat im frühen Zwielicht aus ihrem Boudoir einen Blick auf das Häuschen des Parkwächters geworfen; der Schein eines Feuers schimmerte durch die Jalousien, Rauch stieg aus dem Schornstein, und ein Kind, verfolgt von einer Frau, lief hinaus in den Regen, einem in eine Kapuze gehüllten Mann beim Parktor entgegen. Der Anblick hat die Gnädige in üble Laune versetzt. Sie sagt, sie habe sich tödlich gelangweilt.
Deshalb hat Lady Dedlock von ihrem Landsitz in Lincolnshire Abschied genommen und überläßt ihn dem Regen, den Krähen, den Kaninchen, dem Rotwild, den Rebhühnern und Fasanen. Die Bilder der Dedlocks entschwundener Zeiten sind aus purer Niedergeschlagenheit in den feuchten Wänden verschwunden, als der Kastellan durch die alten Gemächer ging und die Läden zumachte. Wann sie wieder erscheinen werden, kann der Berichterstatter der fashionabeln Nachrichten, der gleich dem bösen Feind die Vergangenheit wohl weiß und die Gegenwart, aber die Zukunft nicht, jetzt noch nicht sagen.
Sir Leicester Dedlock ist nur Baronet, aber es gibt keinen mächtigeren Baronet als ihn. Seine Familie ist so alt wie die Hügel von Lincolnshire, nur unendlich vornehmer. Er ist der Überzeugung, daß die Welt ganz gut ohne Hügel und Berge bestehen könnte, ohne Dedlocks jedoch zugrunde gehen müßte. Er gibt im allgemeinen zu, daß die Natur eine gute Einrichtung ist – ein wenig ruppig zwar, wenn sie nicht von einem Parkzaun umschlossen wird –, aber eine Einrichtung, die in ihrer Gestaltung ganz von den großen Familien der Grafschaft abhängt. Er ist ein Gentleman von strengster Gewissenhaftigkeit, verachtet alle Kleinlichkeit und Niedrigkeit und ist bereit, bei der geringsten Veranlassung eher jeden beliebigen Tod zu sterben als den kleinsten Flecken auf seinem Ruf zu dulden. Er ist ein ehrenwerter, halsstarriger, wahrheitsliebender, stolzer Mann voll krasser Vorurteile, und vollkommen unvernünftig.
Sir Leicester ist volle zwanzig Jahre älter als Mylady. Fünfundsechzig
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