Bleib bei mir, Gabriella
Kristallkäfig, in dem ein winziger Vogel hockte. An der Seite gab es eine goldfarbene Tür.
„Sieh mal, wie klein und zart er ist.“ Sie zeigte darauf. „So wie er komme ich mir auch manchmal vor. Ich bin von bequemen Möbeln und hübschen Dingen umgeben, aber ich habe das Gefühl, als wäre ich in all dem gefangen.“
„Der Käfig hat eine Tür“, sagte Rafe.
Ihre Blicke trafen sich. „Das stimmt. Aber manchmal vergesse ich es. Da habe ich Angst, die Tür zu öffnen.“
In ihm breitete sich wieder eine Hitze aus, die nichts mit der Sonne über ihren Köpfen zu tun hatte. Er wollte Gabby an sich ziehen, ihr zeigen, was Freiheit bedeutete, und sie eine Leidenschaft erleben lassen, die sie beide mitriss.
Er wollte ihr etwas beibringen? Sie war in der Welt herumgekommen! Vielleicht gab es gar nichts, was sie von ihm lernen konnte. „Möchtest du hineingehen?“, fragte er schroff.
Sie warf einen letzten Blick auf den Käfig. „Nein, nicht jetzt. Vielleicht irgendwann, wenn ich mein eigenes Haus habe und ihn aufstellen kann.“
„Aber du willst noch immer Schuhe kaufen?“
„Ich muss. Ich bin so überstürzt aus London abgereist, dass ich …“ Sie brach ab.
„Darum ging es in der E-Mail? Um deine Sachen?“
Eine Gruppe von Teenager rannte den Bürgersteig entlang. Schützend legte Rafe den Arm um Gabbys Schultern und drehte sie zum Schaufenster. Es wäre so leicht, sie an sich zu drücken und zu küssen. Leicht und leichtsinnig.
„Bist du oft durch die Stadt gebummelt, bevor du berühmt warst?“, fragte er stattdessen.
„Selbst in unserem Dorf war ich nie allein. Als ich mit dem Modeln begann, kam immer eine Begleiterin mit, wenn meine Mutter keine Zeit hatte.“
„Eine Begleiterin?“
„Sie war meine Kinderfrau gewesen und ist mit mir zu den Fototerminen gereist, wenn meine Mutter nicht konnte.“
„Hast du nicht rebelliert?“
„Wogegen denn? Dass meine Eltern mich liebten? Gegen das Leben auf einem hübschen Anwesen mit Reitpferden, Tennisplätzen und allem, was ich mir sonst noch wünschen konnte?“
Gabriella McCord war anders als jede Frau, die Rafe kannte. Vielleicht ging sie ihm deshalb so unter die Haut. War das der Grund, warum er zum ersten Mal seit dem Tod seiner Frau mehr als nur körperliches Verlangen empfand?
Er nahm den Arm von ihren Schultern. „Gehen wir Schuhe kaufen.“
Das Shoe House war ein kleiner Laden zwischen einer Boutique und einem Lederwarengeschäft. Gabby blieb vor dem Schaufenster stehen, und ihr Blick schien an einem Paar Sandaletten haften zu bleiben. Nur für einen Moment; dann öffnete sie die Tür und ging hinein.
Rafe sah sich um. Sie waren die einzigen Kunden. An der Kasse stand eine Verkäuferin. „Ich bin gleich bei Ihnen!“, rief sie, und er wusste, dass sie Gabby nicht erkannt hatte.
Zielsicher steuerte Gabby ein Regal an und betrachtete einen schmalen, spitz zulaufenden Schuh mit sexy Riemen und mindestens zehn Zentimeter hohem Absatz. Es gab ihn in Türkis, Rot und Weiß.
Zufrieden lächelnd griff sie nach dem türkisfarbenen. „Das ist er.“
Sie ließ den Blick über die Kartons wandern und zog Größe sechs heraus.
Rafe hatte keine Ahnung von Damenschuhen.
Gabby setzte sich auf die kleine Holzbank, nahm einen Schuh aus dem Karton und streifte ihn über den Fuß. Dann beugte sie sich vor, schien jedoch Probleme mit dem Verschluss zu haben.
Rafe fühlte sich immer unwohler. „Lass mich dir helfen“, sagte er und kniete sich vor sie.
Nach einem Moment schaffte er es. Er behielt ihren Fuß in der Hand und hob den Kopf. Sie hatte die Sonnenbrille abgenommen und starrte ihn an, als wäre er … ein Ersatz für den Märchenprinzen?
Unmöglich. Er doch nicht.
„Passt tadellos“, gab er zu.
Gabby wirkte gedankenverloren, bis sie sich einen Ruck gab und auf den Karton zeigte. „Probieren wir den anderen an.“
Barfuß und in Shorts war sie unglaublich sexy. Aber er sprach es nicht aus.
Zwei Paar Schuhe später standen sie an der Kasse. Zu seiner Überraschung bezahlte Gabby bar.
„Auf der Kreditkarte steht nämlich mein Name“, flüsterte sie Rafe zu, als die Verkäuferin, die noch immer telefonierte, sich nach einer Tüte bückte.
„Clever von dir.“
Gabby war schön, intelligent und nicht so sorglos, wie sie aussah. Das machte seinen Job etwas einfacher.
Endlich legte die Verkäuferin auf. Sie kassierte das Geld und tat die Einkäufe in die Tüte. Dabei warf sie Gabby immer wieder einen Blick zu. „Sie kommen
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