Bleib bei mir, Greg
die Einsicht verweigern sollte.“ Sie erwiderte den stählernen Blick ihrer Tante, ohne auch nur ein einziges Mal zu blinzeln.
„Diese Akten sind vertraulich zu behandeln, Fiona. Sie hätten vernichtet werden müssen, als dein Vater starb.“
„Vielleicht. Aber sie sind nicht vernichtet worden, also habe ich Greg erlaubt, sie durchzusehen, während er sich bei mir von seiner Krankheit erholte.“
„Er hat bei dir im Haus gewohnt?“ fragte Minnie ungläubig.
„Er war schwer krank, Tante Minnie. Ich hatte mich dafür entschieden, ihn bei mir zu pflegen.“
Minnie wandte sich Greg zu. „Sie haben Sie verführt, nicht wahr?“ Unverhüllte Verachtung schwang in ihrer Stimme mit. „Sie abscheulicher Kerl. Sie haben die Akten nur als Vorwand benutzt, um eine Gelegenheit zu bekommen, Fiona zu verführen.“
„Tante Minnie!“ Fiona war entsetzt. „Wie kannst du so etwas behaupten? Er hat sich mir gegenüber stets wie ein Gentleman benommen.“
Es lag noch nicht mal der Anflug von Humor in seinem Blick, als Greg sich wieder in das Gespräch mischte. „Nein, Miss MacDonald, ich habe Ihre Nichte nicht verführt. Was immer Sie auch denken mögen, ich bin ein ehrenwerter Mann. Ich nutze Menschen niemals aus, und schon gar keine wehrlosen Frauen. Ihre Anschuldigung ist beleidigend, nicht nur für mich, sondern erst recht für Ihre Nichte.“ Energisch schob er seinen Stuhl zurück. „Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen.“
Er erhob sich und verließ das Zimmer. Die Frauen hörten, wie seine Schritte auf dem gefliesten Boden des Flurs widerhallten. Dann wurde die Eingangstür geöffnet und wieder geschlossen.
Plötzlich herrschte absolute Stille im Haus.
„Wo glaubst du, geht er hin?“ fragte Minnie unsicher.
Fiona sah bei der Frage nicht auf, sondern betrachtete ihre Hände, die in ihrem Schoß lagen, und schüttelte nur leicht den Kopf.
Becky betrat jetzt das Esszimmer, um den Kaffee zu servieren. Minnie hob abwehrend eine Hand und schüttelte den Kopf. „Danke, meine Liebe, aber wir werden den Kaffee in der Bibliothek einnehmen. Es brennt doch ein Feuer im Kamin, nicht wahr?“
„Ja, Ma’am.“
Minnie erhob sich und sah sich um, als ob sie nicht genau wüsste, was sie als Nächstes tun sollte. Dann schaute sie Fiona an, die jetzt ebenfalls aufgestanden war. „Ich habe ihn beleidigt, nicht wahr?“
„Ja.“
„Das tut mir Leid, aber das muss das Alter sein. Meine Gedanken sind bereits aus meinem Mund, bevor ich sie aufhalten kann. Ich wollte ihn nicht kränken.“
Fiona bot ihrer Tante den Arm an, den die alte Dame dankbar ergriff. Dann folgten sie Becky in die Bibliothek.
„Was hast du denn geglaubt, wie deine Worte auf ihn wirken würden?“ fragte Fiona, nachdem sie Platz genommen hatten. „Du hast ihn vom ersten Moment an behandelt, als ob er dir das Silber im Haus stehlen wollte. Noch nie zuvor hast du dich so unhöflich verhalten, Tante Minnie. Ungeduldig und schroff, vielleicht. Aber nie so extrem beleidigend und unhöflich.“
Minnie verzog das Gesicht. „Ich weiß. Mein Verhalten ist unentschuldbar. Ich glaubte wahrscheinlich, dich schützen zu müssen. Ich habe nicht darüber nachgedacht, wie meine Worte klingen würden.“ Sie nippte nachdenklich an ihrem Kaffee. „Er ist ein sehr attraktiver junger Mann. Ich kann verstehen, warum du dich in ihn verliebt hast.“
„So ist es nicht, Tante Minnie. Ich versuche dir das bereits seit unserer Ankunft zu erklären. Becky hat das missverstanden. Greg Dumas ist aus geschäftlichen Gründen hier. Das ist alles. Ich habe ihm nur mein Gästezimmer zur Verfügung gestellt. Er wird schon bald wieder nach Hause fahren, und zwar mit oder ohne die Information, nach der er sucht. Ich hatte keine Ahnung, dass ein derartiges Missverständnis entstehen könnte, sonst hätte ich ihn nicht mitgebracht. Um es noch mal klar und deutlich zu sagen, dieser Mann bedeutet mir nichts.“
Minnie stellte sorgsam ihre Tasse auf den Unterteller. „Es gibt keinen Grund, mich anzulügen. Ich weiß, wie es ist, wenn man einen Mann liebt.“
„Tante Minnie! Du hörst mir gar nicht zu. Ich bin nicht in Greg Dumas verliebt.“
Eingehend betrachtete Minnie das hübsche Gesicht ihrer Nichte. „Jetzt verstehe ich“, bemerkte sie nachdenklich und nickte. „Jetzt verstehe ich es.“
„Wovon redest du?“ fragte Fiona verärgert.
„Du bist dir gar nicht bewusst, dass du ihn liebst. Aber das überrascht mich nicht.
Du hast nie viel Zeit mit jungen
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