Bleib bei mir, kleine Lady
liebt.“
Die Vorwürfe, die ihre Stiefmutter ihr hatte machen wollen, erstarben ihr auf den Lippen. Sie sah Gracila an und wurde blaß.
„Ich finde“, sagte sie, „wir sollten froh sein, daß Gracila zurückgekommen ist, und nicht weiter darüber reden. Allerdings muß ich dazufügen, daß sich dein Vater die größten Sorgen gemacht hat, Gracila, und es nicht recht von dir war, ihn in solche Aufregungen zu versetzen. Tu ihm das bitte nie wieder an.“
„Das verspreche ich“, entgegnete Gracila.
Als die Zeitungen gebracht wurden, stürzte sich natürlich alles begierig darauf. Lord Damien hatte Schlagzeilen gemacht, aber zum Glück stand in keinem der Berichte auch nur ein Wort über den Grund, aus dem er England vor zwölf Jahren verlassen hatte.
Man strich lediglich seine Qualitäten heraus und schilderte ihn als tadellosen Kavalier, der Königin Victoria das Leben gerettet hatte. Man stellte ihn auf ein Podest, und ihn da wieder herunterzuholen, würde unmöglich sein.
Jetzt kann er ein neues Leben beginnen, dachte Gracila. Mit mir zusammen.
Als er am Abend zum Diner kam, mußte sie sich sehr zusammennehmen. Sie wollte sich nicht anmerken lassen, wie sehr sie in ihn verliebt war. Daß es Lord Damien jedoch sah, das wußte sie und war glücklich darüber.
Zum Glück hatte ihre Stiefmutter in ihrem Stolz, den neuen Gesellschaftslöwen gleich eingefangen zu haben, das Haus mit Gästen vollgeladen.
Es war daher für Gracila und Lord Damien nicht so schwer, ihre Gefühle zu verbergen, als wenn sie en famille gespeist hätten.
Nachdem die Gäste wieder gegangen waren, überreichte ein Diener Gracila einen Brief von Lord Damien.
Er bat sie, ihm zu schreiben, wann er sie treffen könne, und schlug vor, sie möchte ihren Brief doch an Millet adressieren.
Es war nicht einfach. Wenn sie jedoch beide sehr früh ausritten, Gracila natürlich in Begleitung eines Dieners, kreuzten sich ihre Wege unvermeidlich.
Da Lord Damien mit Einladungen überschüttet wurde und Gracila das hübscheste Mädchen der Grafschaft war, trafen sie sich bei Festen, aber sie waren eben nie allein.
Gracila und ihre Eltern waren ebenfalls zu der Party in Windsor Castle eingeladen gewesen, die Königin Victoria anläßlich der Ascotrennen gab.
Nach dem Diner wurde im Roten Ballsaal getanzt.
Als Lord Damien nach seinen vielen Verpflichtungen endlich Gracila auffordern konnte, glaubte sie, der Himmel senke sich auf sie herab.
Ihm endlich einmal wieder so nahe sein zu dürfen, war die Seligkeit schlechthin.
„Ich liebe dich“, flüsterte ihr Lord Damien ins Ohr. „Ich liebe dich und kann dieses Spiel nicht weiterspielen. Ich spreche morgen mit deinem Vater.“
„Aber das ist doch noch zu früh“, protestierte Gracila, aber ihre Stimme klang nicht überzeugend.
„Ich sehne mich so nach dir. Ich möchte, daß du mir endlich ganz gehörst. Ich möchte dich küssen, meine geliebte Gracila.“
Seine Stimme war so voll Leidenschaft, daß ihr Herz schneller schlug.
Wie sehr sie sich nach seinen Küssen gesehnt hatte …
Und jetzt waren sie verheiratet und mußten ihre Gefühle nicht mehr verbergen.
„Du bist die schönste Frau der Welt“, sagte Lord Damien und küßte ihre Hand.
Sie fuhren durch offenes Land, mußten jedoch bald durch das nächste Dorf kommen, wo ihnen wieder die Menge zujubeln würde.
„Gefällt dir mein Hochzeitskleid?“ fragte Gracila.
„Es ist sehr schön“, antwortete Lord Damien, „aber ich habe immer nur dein Gesicht gesehen. Gracila, mein ein und alles, wie sehr ich dich liebe. Ich kann es kaum erwarten, bis wir wirklich ganz allein sind und ich dir zeigen kann, wie sehr ich dich liebe.“
Wieder führte er ihre Hand zu seinen Lippen.
„Oh, Virgil“, sagte Gracila und lächelte. „Ich glaube, ich träume.“
„Ich werde dir beweisen, daß du nicht träumst, mein Liebling. Oder, wenn doch, dann träume ich auch.“
„Alles hat mich gefragt, wo wir die Flitterwochen verbringen würden. Was hast du den Leuten gesagt?“
„Ich habe sie in dem Glauben gelassen, daß wir ins Ausland fahren“, entgegnete Lord Damien und suchte Gracilas Blick. „Du bist doch hoffentlich nicht enttäuscht, daß wir hierbleiben, oder?“
„Nein“, antwortete Gracila. „Ich weiß doch, daß du nirgends lieber bist als zu Hause in Barons’ Hall.“
„Das stimmt. Und nach Weihnachten, das verspreche ich dir, machen wir eine Reise, und ich zeige dir all die Orte, die du gern kennenlernen möchtest.“ Er
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