Bleib bei mir, kleine Lady
gesehen.“
„Und was hast du daraufhin gesagt?“
„Ich habe, glaube ich, von der Liebe auf den ersten Blick gesprochen.“
Gracila lachte und mußte an den Augenblick denken, als Lord Damien in den Salon gekommen war und ihre Stiefmutter ihn ihr vorgestellt hatte.
Auf sein Drängen hin war sie früh am Morgen aufgebrochen.
„Ich vermute“, hatte er am Abend des verhinderten Attentats in der Bibliothek zu ihr gesagt, „daß morgen einer dem anderen die Tür in die Hand gibt, und ganz gleich, was geschieht, man darf dich nicht hier sehen, mein Liebling.“
„Was die Leute sagen, ist mir egal“, hatte Gracila entgegnet. „Allerdings, das gebe ich zu, ich möchte nicht der Grund für einen neuen Skandal sein.“
„Und dieser neue Skandal wäre komplett, wenn es bekannt würde, daß du hier bei mir in Baron’s Hall gewohnt hast.“
„Diese Zeit werde ich nie vergessen. Es war die schönste Zeit meines Lebens.“
Als sie sich an diesem Abend hatten trennen müssen, hatte Lord Damien sie in die Arme genommen.
„Bald, mein Liebling“, hatte er versprochen, „werden wir uns nicht mehr trennen und uns nicht mehr Adieu sagen müssen. Wir werden Tag und Nacht zusammen sein, wir werden zusammen den Sonnenschein genießen, und nachts werde ich dich in den Armen halten.“
Er hatte sie geküßt, bis sie geglaubt hatte, nichts existiere mehr auf dieser Welt, nur noch seine Lippen und die Geborgenheit in seinen Armen.
Gracila war am nächsten Morgen bereits um halb sechs aufgebrochen.
Da es klug gewesen war, bis zur letzten Minute diskret zu sein, hatte nur Millet sie wegreiten sehen.
Mrs. Hansell war so voll von den Geschichten über Lord Damien gewesen, daß sie Gracilas Entschluß, nach Hause zurückzukehren, nur am Rande mitbekommen hatte.
Über Nacht war Lord Damien zum Helden geworden.
Gracila war überzeugt, daß die Frauen der ganzen Grafschaft Lord Damien lobpreisen würden, weil er die Königin gerettet hatte.
Und sie selbst war an diesem Morgen so glücklich und so mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, daß sie erst ein leichtes Gefühl von Unbehagen und Angst erfaßte, als sie auf das Schloß ihres Vaters zuritt.
Aber im Grund war alles unwichtig, denn am Abend sollte sie Lord Damien wiedersehen. Trotzdem hoffte sie, daß der Sonnenschein, von dem sie sich umgeben gefühlt hatte, nicht allzusehr getrübt wurde.
Zu ihrer Erleichterung fand sie ihren Vater allein im Frühstückszimmer vor.
„Gracila!“ rief er. „Wo bist du denn gewesen? Ich war halb wahnsinnig vor Angst um dich.“
Gracila schlang die Arme um ihn und legte die Wange an die seine.
„Verzeih mir, Papa. Ich wollte nicht, daß du dir Sorgen machst. Ich war bei netten Leuten, und jetzt bin ich wieder zu Hause und froh, dich wiederzusehen.“
Als ihr Vater die Arme um sie legte, wußte sie, daß er ihr nicht wirklich böse war. Allerdings verlangte er trotzdem eine Erklärung.
„Ich habe dir in dem Brief geschrieben“, sagte Gracila, „daß ich aus bestimmten Gründen nicht in der Lage bin, den Herzog zu heiraten. Du weißt, daß Mama mich nicht hätte unglücklich sehen wollen, und mit dem Herzog wäre ich unglücklich geworden.“
„Aber warum mußtest du dann gleich weglaufen?“ fragte ihr Vater. „Hättest du nicht zu mir kommen und mit mir sprechen können?“
„Ich dachte, du sagst, daß ich jetzt nicht mehr zurück kann, daß es dafür zu spät ist. Und weil ich es für dich und alle anderen leichter machen wollte, bin ich eben einfach verschwunden.“
Sie küßte ihren Vater, ehe er etwas sagen konnte.
„Bitte, sei mir nicht böse, Papa.“
„Wo bist du gewesen?“ fragte er, aber sie hörte es seiner Stimme an, daß er nachsichtig gestimmt war.
„Ich war bei ehemaligen Hausangestellten.“
„Bei deiner Kinderfrau, natürlich!“, rief ihr Vater. „Daß ich nicht von selbst darauf gekommen bin! Deine Stiefmutter war überzeugt davon, daß du bei einer deiner Kusinen bist.“
Gracila hütete sich, ihrem Vater zu sagen, daß ihre ehemalige Kinderfrau schon vor einigen Jahren gestorben war. Man hatte es damals ihrem Vater erzählt, aber er erinnerte sich offensichtlich nicht daran.
In diesem Augenblick kam ihre Stiefmutter ins Frühstückszimmer. Daß sie nicht so leicht zu beschwichtigen war, wußte Gracila, also nahm sie ihr schnell den Wind aus den Segeln.
„Ich hatte den unwiderlegbaren Beweis“, sagte sie zu ihrem Vater, „daß der Herzog nicht mich, sondern eine andere Frau
Weitere Kostenlose Bücher