Bleib doch, liebes Hausgespenst!
am Seerosenteich seinen gewohnten Verlauf. Amadeus machte sich zwar tagsüber immer wieder bemerkbar, aber nachts ließ er die Familie Schmidt ruhig schlafen. Nur Monika weckte er mit schöner Regelmäßigkeit, indem er die Fenster aufriß, ihr das Kopfkissen oder die Bettdecke wegzog. Sie hatte sich daran gewöhnt und war immer bereit, mit ihm zu plaudern. Tatsächlich hatte sie ihr ganzes Leben auf Amadeus eingestellt. Um den gestörten Schlaf wieder wettzumachen, legte sie sich nach dem Mittagessen nieder. Damit sie genug Zeit zum Spielen hatte, machte sie ihre Schulaufgaben erst abends, wenn sie auf Amadeus wartete.
Da sie jetzt überzeugt war, daß Amadeus gar keine unsterbliche Seele hatte, machte sie sich auch keine Sorgen über ihn. Sie dachte auch nicht mehr daran, ihn bannen zu lassen, denn dann — das hatte Herr Stein ihr erklärt — wäre er ein unsichtbares Geisterwesen geworden. Er hätte sich längst nicht so wohl gefühlt, weil niemand ihn mehr beachtet hätte. Zwar hätte er noch kleine Streiche ausführen können, aber die Menschen hätten daraus nicht auf seine Existenz geschlossen. Wenn ein Kobold etwas verlegt oder verschwinden läßt oder etwa ein Strickzeug verheddert — in dieser Richtung liegen die üblichen Streiche von unsichtbaren Kobolden so pflegen die Menschen das sich selber zuzuschreiben. Sie sagen dann: „Wie vergeßlich ich bin!“ oder: „Wo hast du nur deinen Kopf!“ vielleicht auch: „Wie kannst du nur so ungeschickt sein!“ — Unsichtbare Kobolde können sich anstrengen, wie sie wollen, aber die Menschen merken nie, daß es sie überhaupt gibt.
Ein solches Schicksal wollte Monika ihrem Amadeus unbedingt ersparen, und dafür nahm sie die gestörte Nachtruhe gern in Kauf. Auch ihre Freunde, Ingrid und Norbert, fanden es lustig, daß Amadeus im Haus am Seerosenteich geisterte. Wenn er sich bemerkbar machte — nicht sichtbar, sehen ließ er sich nur von Monika! —, dann lachten sie darüber und nahmen ihm nichts krumm. Sie besuchten Monika, so oft es eben ging. Norbert wohnte mit seinen Eltern in einer Etagenwohnung in Geretsried, in der es bei weitem nicht die Spielmöglichkeiten gab wie in Schmidts großem Haus. Ingrid hatte eine Mutter, die es allzu genau nahm und von ihrer einzigen Tochter erwartete, daß sie ständig brav, leise und sauber war. Bei Schmidts konnte Ingrid sich austoben.
So kam es, daß Monika gern zu Hause war. Sie hatte ja auch genug zu tun. Täglich mußte Bodo, der schwere Hannoveraner, gestriegelt, gefüttert und bewegt, das heißt ausgeritten werden. Auch Kaspar, Peters Hund, mußte gefüttert und gebürstet werden, eine Arbeit, die meist an Monika hängenblieb. Außerdem half sie der Mutter bei der Bestellung des Obstgartens, damit Frau Schmidt so viel Zeit wie möglich für ihre Töpferei blieb. Frau Schmidt hatte Verträge mit den Besitzern einiger oberbayerischer Andenkenläden geschlossen, die hofften, in der Ferienzeit ihre Erzeugnisse verkaufen zu können. So würde ihr geliebtes Hobby bald auch Geld einbringen.
Monika fühlte sich nützlich und war gern zu Hause. Immer gab es hier etwas für sie zu tun.
Nicht so glücklich waren Peter und Liane. Peter stand nach wie vor mit Amadeus auf Kriegsfuß. Er konnte über die Streiche des Hausgespenstes, besonders, wenn sie auf seine Kosten gingen, nicht lachen. Er ärgerte sich darüber. Es machte ihn auch wütend, daß er in jeder Auseinandersetzung mit Amadeus den kürzeren zog. Das verletzte sein Selbstgefühl. Sein Freund Georg wußte zwar inzwischen, daß es bei den Schmidts ein Hausgespenst gab, und er fand das hochinteressant. Trotzdem mochte Peter es nicht, wenn Georg ihn besuchte, denn dann schwebte er ständig in Gefahr, vor ihm blamiert zu werden. Deshalb trieb es Peter, sobald er seine Schulaufgaben erledigt hatte, aus dem Haus.
Liane fühlte sich zwar nicht von Amadeus herausgefordert, aber sie wagte es nicht einmal ihrer besten Freundin zu erzählen, daß im Haus am Seerosenteich ein Gespenst geisterte. Sie war sicher, daß ihre Freundinnen und Freunde, alles moderne junge Leute aus der nahen Großstadt München, sie nur auslachen würden. Natürlich hätte sie die eine oder den anderen einladen können, und wahrscheinlich hätte Amadeus sich dann schon gerührt. Aber für Liane war und blieb das Hausgespenst unheimlich, und sie hatte Angst, daß ihre Clique genauso reagieren und sie dadurch zur Außenseiterin werden würde.
So wurde das Familienleben der Schmidts durch
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