Bleib doch, liebes Hausgespenst!
Spinett. Jedesmal, wenn ich auf eine falsche Taste drückte, schlug sie mir mit einem Stöckchen auf die Finger.“
„Du Ärmster!“ rief Monika voll Mitgefühl.
„Ja, das war grossier... gemein! Ich habe sie gehaßt, diese Madame Bertier. C’etait une personne miserable.“
„Das kann ich verstehen.“
„Aber ich habe mich gerächt.“ Amadeus grinste und sah plötzlich sehr lebendig aus. „Einmal habe ich ihr den Deckel des Spinetts auf die Finger geschlagen. Sie spielte mir gerade vor. Aïe! Hat die geschrien!“
Monika stimmte in sein Lachen ein. „Mir scheint, du warst ein rechter Lauser.“
Das verstand er nicht. „Ein... was?“
„Ein Lausbub. Ein Schlingel.“
„Ah, un garçon insolent!“
„So wird’s wohl heißen“, sagte Monika friedfertig, „du weißt, ich verstehe kein Französisch.“
„Dann bist du eine ungebildete Person. Zu meiner Zeit sprachen alle Menschen von Stand französisch.“
„Mag sein. Aber die Zeiten haben sich geändert. Heutzutage lernen zwar alle jungen Leute Fremdsprachen... Englisch und manche auch Französisch und einige sogar Latein... aber wirklich sprechen können sie es nicht. Überhaupt bin ich nicht sicher…“
Monika verstummte mitten im Satz. Sie war nicht überzeugt, daß Amadeus die französische Sprache wirklich beherrschte. Ihr kam es so vor, als hätte er nur ein paar Brocken aufgeschnappt, mit denen er sich wichtig machte. Aber gerade noch rechtzeitig verzichtete sie darauf, diesen Verdacht zu äußern, denn sie wußte aus Erfahrung, daß Amadeus sehr rasch beleidigt war.
„Sprich weiter!“ drängte das Hausgespenst.
„...ob ich je richtig Französisch sprechen werde. Ich lerne es später auf dem Gymnasium.“
„Ich werde dir dabei helfen“, versprach Amadeus großmütig. „Das wäre lieb von dir! Aber erzähl weiter!“
„Was denn?“
„Von deinen Klavierstunden und von Madame Bertier.“
Amadeus runzelte angestrengt die Stirn. „Darüber ist alles gesagt.“
„Dann erzähl mir etwas anderes.“
Es war meist schwer, irgendeine Erinnerung an den Jungen, in dessen Gestalt das Hausgespenst geschlüpft war, aus ihm herauszulocken, und Monika war glücklich, daß sie es in dieser Nacht geschafft hatte.
Aber Amadeus hatte keine Lust mehr. „Jedenfalls tun mir die armen Seelen leid, wenn sie im Himmel nichts Besseres zu tun haben, als zu musizieren.“
„Aber sie sind sehr glücklich dabei.“
„Woher weißt du das?! Du sagst doch selber, daß noch keiner zurückgekommen ist.“
„Sie sind glücklich, weil es eine Belohnung ist, in den Himmel zu kommen. Das passiert nur, wenn man auf Erden anständig gelebt hat.“
„Es ist ennuyant“, widersprach Amadeus bockig. „Langweilig.“
„Du willst also gar nicht in den Himmel kommen?“
„Bestimmt nicht. Hier bei euch ist es viel lustiger!“
„Ich bin froh, daß du das so siehst. Herr Stein meint nämlich“...Monika merkte, daß sie dabei war, ein gefährliches Thema anzuschneiden, und sie unterbrach sich.
Aber Amadeus war aufmerksam geworden. „Was meint cet homme mauvais? Dieser böse Mann?“
„Er ist nicht böse, und er ist Norberts Vater!“
Amadeus schüttelte so heftig den Kopf, daß seine Perücke ins Wanken geriet und er sie mit der Hand festhalten mußte. „Er ist mit bösen Absichten hier in dieses Haus gekommen. Ich bin nicht dumm. Ich habe das gleich gespürt.“
„Bestimmt nicht, Amadeus. Es ist nur... er interessiert sich eben für „...Beinahe hätte sie gesagt: Gespenster, aber da sie wußte, daß Amadeus kein Gespenst sein wollte, drückte sie es anders aus: „...für Wesen wie dich.“
„Er hat mich vertreiben wollen!“
„Das hätte ich nie zugelassen, Amadeus! Ich wollte nur wissen, ob... ob du glücklich bist oder ob du nicht lieber in den Himmel kommen willst.“
„Wozu brauchst du da diesen... diesen Monsieur Stein? Du hättest doch mich fragen können.“
Monika fand, daß es zu schwierig war, Amadeus die Zusammenhänge zu erklären. „Da hast du recht“, sagte sie deshalb nur. „Ich habe immer recht“, erklärte Amadeus selbstgefällig.
„Ich verspreche dir, daß die Steins nie wieder hierherkommen. Aber dann darfst du auch nicht wieder so ein Theater machen wie in den letzten Tagen. Du treibst uns sonst noch alle in den Wahnsinn.“
„War das nicht fein?“ fragte Amadeus ohne jede Reue. „Besonders das mit dem Fernsehen. Habe ich das nicht fein gemacht?“
„Doch, Amadeus, es war sehr lustig. Aber es war
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