Bleib ungezaehmt mein Herz
versagt.«
»Stimmt.« Judith nickte entschlossen. »Es muß irgendeine Möglichkeit geben, ihn dazu zu bringen, daß er mich ernst nimmt. Ich habe den Verdacht, ein Streit mit ihm ist die Antwort auf unser Problem.«
Sebastian lachte. »Nun, du bist die Feuerschluckerin der Familie, Ju.«
»Ja, und ich habe die Absicht, diese Eigenschaft gut zu nutzen.« Ein winziges Lächeln spielte um ihre Lippen. Die Aussicht, sich mit dem höchst ehrenwerten Marquis in eine Schlacht um Verstand und Willenskraft zu stürzen, ließ ihre Haut vor Erregung prickeln.
3. Kapitel
»Guten Morgen, Charlie«, begrüßte Marcus seinen Cousin am nächsten Morgen. Charlie saß bereits am Frühstückstisch vor einem Teller Rinderfilet und erwiderte die Begrüßung undeutlich mit dem Mund voller Fleisch.
»Wieviel hast du vorgestern abend am Spieltisch verloren?« fragte Marcus beiläufig, während er sich eine Tasse Kaffee einschenkte. »Als du Makao an Davenports Tisch gespielt hast.« Er betrachtete die Schüsseln auf der Anrichte mit prüfendem Blick.
Charlie schluckte seinen Bissen hinunter und trank einen Schluck Bier. »Nicht viel.«
»Und wieviel ist >nicht viel« Marcus bediente sich mit einer Portion saurer Nieren.
»Siebenhundert Guineas«, erklärte sein Cousin mit einem Anflug von Trotz. »Ich denke nicht, daß diese Summe meine Mittel übersteigt.«
»Nein«, gab Marcus umgänglich zu. »Solange man nicht jeden Abend soviel verliert. Spielst du oft an seinem Tisch?«
»Das war das erste Mal, glaube ich.« Charlie runzelte die Stirn. »Warum fragst du?«
Marcus gab keine Antwort, sondern fuhr mit seinen Fragen fort. »Hat seine Schwester dir vorgeschlagen, an seinem Tisch zu spielen?«
»Daran kann ich mich nicht erinnern. Es gehört nicht zu den Dingen, an die ein Kerl sich erinnert.« Charlie starrte seinen Cousin verwirrt und leicht besorgt an. Seiner Erfahrung nach stellte Marcus nur selten sinnlose Fragen, und es schien, als könnte diese Serie durchaus zu einer scharfen Kritik an seiner Spielleidenschaft führen... nichts Neues, aber dennoch peinlich.
Doch Marcus zuckte nur mit den Schultern und schlug die Zeitung auf. »Nein, da hast du wohl recht... ach, übrigens...« Er blätterte um und fügte beiläufig hinzu: »Glaubst du nicht, daß Judith Davenport ein bißchen zu heißblütig für dich ist?«
Charlie wurde rot. »Was willst du damit sagen?«
»Nicht viel«, erwiderte Marcus mit einem kurzen Blick über den Rand der Zeitung. »Sie ist eine attraktive Frau mit viel Erfahrung im Flirten.«
»Sie... sie ist eine wundervolle Frau«, rief Charlie mit hochrotem Kopf, indem er seinen Stuhl mit einem Ruck zurückschob. »Du kannst sie nicht beleidigen!«
»Bitte, Charlie, reg dich nicht gleich so auf. Ich bezweifle, daß sie selbst diese Beschreibung abstreiten würde.«
»Selbstverständlich ist sie keine Kokette.« Charlie funkelte seinen Cousin über die gestärkten Falten seines Leinenhalstuchs hinweg ärgerlich an.
Marcus seufzte. »Nun, wir wollen uns nicht um Definitionen streiten, aber für einen Neunzehnjährigen ist sie eindeutig eine Nummer zu groß. Sie ist kein Schulmädchen.«
»Für Schulmädchen kann ich mich auch nicht begeistern«, stellte sein Cousin klar.
»In deinem Alter solltest du das aber.« Marcus schaute über den Tisch und fügte nicht unfreundlich hinzu: »Judith Davenport ist eine raffinierte Frau von Welt. Sie spielt ein undurchsichtiges Spiel, das weit über deinen Erfahrungshorizont hinausgeht. Sie verspeist Einfaltspinsel wie dich zum Abendbrot, mein lieber Junge. Die Leute fangen schon an zu reden. Du willst doch nicht zum Gespött von Brüssel werden.«
»Ich finde es sehr unritterlich von dir, wenn nicht sogar ausgesprochen unehrenhaft, sie zu beleidigen, wenn sie nicht hier ist, um sich zu verteidigen«, erklärte Charlie leidenschaftlich. »Und ich sage dir eins, ich...«
Marcus fiel ihm ins Wort und schnitt seinen Protest mit einer ungeduldigen Handbewegung ab. »Laß es lieber. Es ist noch zu früh am Morgen, um das leidenschaftliche Geschwafel eines blind verliebten Jünglings mit anzuhören.« Er schob sich eine Gabel voll Fleisch in den Mund. »Wenn du einen Narren aus dir machen willst, bitte sehr, aber tu's, während ich nicht in der Nähe bin.«
Charlies Wangen brannten vor Verlegenheit. Er starrte Marcus sprachlos und zutiefst empört an, dann stürmte er aus dem Frühstückszimmer.
Marcus zuckte zusammen, als die Tür mit einem vehementen Knall ins
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