Bleib ungezaehmt mein Herz
drum herum ausgebreitet lagen. »Ich würde gerne fechten lernen.«
»Du erstaunst mich.« Marcus schlüpfte aus seinem Mantel und rollte sich die Hemdsärmel auf. »Ich wußte nicht, daß es noch irgend etwas gibt, was du nicht kannst. Konntest du keinen Bewunderer finden, der dich das Fechten lehrte?«
»Leider nicht.« Sie lehnte sich wieder zurück und beobachtete seine Vorbereitungen aus schmalen Augen. »Vielleicht würdest du gern diese Aufgabe übernehmen.«
»Mit Freuden.« Marcus nahm die Lavendelseife aus der Schale neben der Wanne und trat hinter Judith. »Beug dich vor, dann wasche ich dir den Rücken.«
»Du wirst deine Hosen ruinieren, wenn du dich so auf den Boden kniest«, sagte sie, ohne sich zu rühren.
»Sie sind aus Strickmaterial, meine Liebe, und formen sich ganz nach meinen Wünschen«, erwiderte er. »Im Gegensatz zu meiner Frau, wie es scheint.« Er schlang einen Arm um Judith und beugte sie nach vorn, so daß er mit energisch kreisenden Bewegungen die glatte Fläche ihres Rückens einseifen konnte, wobei er gelegentlich mit einem Fingernagel verlockend über ihr Rückgrat streifte.
Judith bog ihren Rücken wie eine Katze unter den harten Händen und beugte bereitwillig den Kopf nach vorn, als sich seine Fingerspitze in ihr Haar verirrte und ihre Kopfhaut liebkoste.
»Oh, das hätte ich beinahe vergessen«, murmelte Marcus und ließ seine Hand wieder über ihren Rücken hinab- und unter die Wasseroberfläche zu einer intimeren Körperstelle gleiten. »Ich habe für Mittwoch eine Einladung zum Dinner in der Horseguard's Parade bekommen. Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich dich nicht zum Ball begleite?« Er beugte sie mit sanftem Druck tiefer über seinen Arm, und die plötzliche Anspannung ihres Körper und den Schauer, der über ihre Haut lief, führte er auf ebendiese Bewegung zurück.
»Wer hat dich eingeladen?« Judith versuchte, beiläufig interessiert zu klingen, obwohl sie die Antwort bereits wußte. Charlie hatte die Einladung über den Colonel seines eigenen Regiments arrangiert. Zuerst hatte ihn Judiths Bitte, Marcus eine Einladung zu verschaffen, etwas irritiert, bis sie ihm dann erklärte, es sollte eine Überraschung für ihren Mann sein, der den Ball sowieso tödlich langweilig finden und es vorziehen würde, mit seinen Freunden vom Militär zu dinieren.
Marcus konnte seine Freude bei der Aussicht auf einen solchen Abend in so interessanter Gesellschaft nicht verbergen, als er Judith erzählte, was sie schon wußte. Es war wie Balsam für ihr schlechtes Gewissen.
Millies Erscheinen mit weiteren Kannen heißen Wassers machte dem reizvollen Spiel ein Ende, und Marcus ließ die Seife ins Wasser gleiten, trocknete sich die Hände ab und stand auf, seine Ärmel herunterrollend. »Ich überlasse dich jetzt deinem Bad, mein Luchs.«
»Vergiß nicht, John Bescheid zu sagen, daß du die Einladung des Colonels annimmst.«
»Das werde ich nicht.« Im Hinausgehen berührte er flüchtig den Haarknoten aus kupferfarbenen Locken auf Judiths Kopf. »Eine verständnisvolle Ehefrau ist wirklich ein Juwel.«
Oh, in welch gefährliches Gespinst wir uns mit unseren Lügen verstricken. Der trostlose Refrain schien neuerdings Teil ihres Blutstroms zu sein, der im gleichen Rhythmus wie das Blut in ihren Adern pulsierte.
Bernard Melville musterte seinen Gegner ihm gegenüber am Kartentisch verstohlen. Davenport trank beträchtlich. Sein Haar war zerzaust, fiel ihm wirr und unordentlich in die breite Stirn, ab und zu strich er geistesabwesend mit beiden Händen hindurch. Seit drei Stunden verlor er ununterbrochen, und Gracemere fühlte die prickelnde Erregung eines Spielers, der seinen Gegner völlig in der Hand hat. Er hatte es inzwischen aufgegeben, seine Gewinne zusammenzurechnen, und er wußte aus eigener Erfahrung, daß Sebastian, der vom gleichen Fieber befallen war, sich über die Höhe seiner Verluste überhaupt nicht im klaren war. Seine Jetons waren schon lange aufgebraucht, dafür kritzelte er jetzt Schuldscheine, anscheinend ganz automatisch und ohne nachzudenken. Der Stapel von Schuldscheinen neben Bernards Ellenbogen wuchs unaufhaltsam.
Zweimal hatte Gracemere markierte Karten benutzt, als Sebastian die vorherige Runde gewonnen hatte und der Earl - ganz besessen von dem Drang, gegen ihn zu gewinnen - die Vorstellung nicht hatte ertragen können, daß auch nur die kleinste Möglichkeit weiterer Verluste bestand. Er konnte Blut riechen, der Geschmack lag ihm auf der Zunge.
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