Bleib ungezaehmt mein Herz
Judith das Rückgrat hinab, und sie schlang die Arme um ihren Körper und starrte stumm zu ihm auf.
Marcus' Gesichtsausdruck wurde augenblicklich weich, als er Judith erzittern sah. »Du gehörst ins Bett«, sagte er. »Ein Abend über dem Nachtstuhl würde jeden erschöpfen.« Er mußte wohl oder übel lächeln, als er sich die Szene ausmalte. Fast empfand er Mitleid mit Gracemere. Er griff nach ihrem kaum berührten Weinglas, reichte es ihr und sagte leichthin: »Sei ein braves Mädchen und trink deinen Portwein aus. Er wird dich wärmen.«
Judiths Lächeln hatte etwas Zögerndes, aber sie trank gehorsam den Wein aus und fühlte ihn tröstlich in ihrem schmerzenden, leeren Magen.
»Und jetzt hinauf mit dir.« Marcus nahm ihr das Glas ab. »Ich schaue später noch nach dir, wenn du im Bett liegst.«
»Ich glaube, ich könnte eine Umarmung gebrauchen«, sagte sie mit kleinlauter Stimme.
Marcus legte die Arme um sie, drückte sie an sich, spürte ihre Zerbrechlichkeit. »Ich werde dich die ganze Nacht in meinen Armen halten«, murmelte er in ihr duftendes Haar. »Ich komme, sobald Millie dir ins Bett geholfen hat.«
Er hielt sie die ganze Nacht fest umschlungen, und Judith schlief sicher und geborgen in seinen Armen, aber ihre Träume waren mit Bildern von Dingen erfüllt, die unter der tumultartigen Herrschaft des Chaos' Sprünge bekamen und schließlich zerbrachen.
28. Kapitel
Ein paar Tage später, als Marcus gerade am Frühstückstisch saß, kam eine Einladung seines alten Freundes Colonel Morcby vom Siebten Husarenregiment, der Marcus um die Ehre seiner Anwesenheit bei einem Regimentsessen bat. Arthur Wellesley, Duke von Wellington, Feldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher und General Karl von Clausewitz würden ebenfalls anwesend sein. Das Dinner sollte am Abend des zwölften Dezember im Hauptquartier des Regiments an der Horseguard's Parade stattfinden. Am zwölften Dezember war auch der große Ball der Duchesse von Devonshire.
Marcus trank seinen Kaffee und überlegte, wie Judith wohl reagieren würde, wenn er den Ball absagte. Er war der Höhepunkt der vorweihnachtlichen Festivitäten, und die gesamte Londoner Gesellschaft würde dort sein. Ob Judith sich vernachlässigt fühlte, wenn sie alleine zum Ball gehen müßte? Aber ihre Freunde und ihr Bruder werden ja auch da sein, beruhigte Marcus sich. Es war auch nicht so, als würde er von Judith an diesem Abend viel zu sehen bekommen, selbst wenn er sie begleitete. Abgesehen davon war sie keine Frau, die auf der Begleitung ihres Mannes bestand, wenn er eine weitaus interessantere Einladung erhalten hatte. Er bezweifelte nicht, daß Judith den Reiz der Einladung von Colonel Morcby verstehen würde.
Marcus verließ das Frühstückszimmer und ging die Treppe hinauf ins Schlafzimmer seiner Frau. Dampfschwaden und der Duft von Badeöl hingen im Raum. Das Feuer war so hoch aufgeschichtet, wie es die Sicherheit erlaubte, und Hitze erfüllte das Zimmer und vermehrte noch den Dampf, der aus einer kupfernen Sitzbadewanne vor dem Kamin aufstieg. Marcus blinzelte, um wieder klar sehen zu können, dann lächelte er.
Millie war dabei, noch mehr Wasser aus einer Kupferkanne in die Wanne zu schütten, während Judith daneben stand und vorsichtig mit einem Zeh die Temperatur prüfte. Ihr Haar war auf dem Kopf aufgesteckt, und sie war nackt.
»Guten Morgen, Marcus.« Sie begrüßte ihn mit einem Lächeln. »Ich glaube, das genügt für den Moment, Millie. Aber vielleicht holen Sie für später noch weitere Kannen aus der Küche... ich nehme ein Bad, Marcus«, informierte sie ihn unnötigerweise.
»Das sehe ich.« Er trat beiseite, als Millie mit einem Arm voll leerer Krüge an ihm vorbei durch die Tür hinauseilte.
»Ich habe die Absicht, mich den ganzen Morgen im heißen Wasser zu aalen«, sagte Judith, in die Wanne steigend. »Schade, daß du mir nicht dabei Gesellschaft leisten kannst.«
»Wer sagt, daß ich das nicht kann?«
»Nun ja, niemand.« Sie ließ den Kopf gegen den Wannenrand zurückfallen und zog die Beine an, so daß ihre Knie aus dem Wasser herausragten. »Ich habe einfach nur angenommen, du wärst nicht in der Stimmung für Verführung, weil du zum Ausgehen angezogen bist.«
»Ich bin durchaus in Stimmung, aber leider nicht in der Lage, der Versuchung nachzugeben«, sagte Marcus. »Ich bin auf dem Weg zu Angelo's.«
»Ah.« Judith setzte sich so plötzlich auf, daß Wasser über den Rand der Wanne auf die Badehandtücher schwappte, die
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