Bleib ungezaehmt mein Herz
kannst, aber es ist nicht wahr. Ich hatte es nicht mit Absicht darauf angelegt, dich zu heiraten. Sebastian hat dir die Wahrheit gesagt.«
Marcus hob skeptisch eine Augenbraue. »Leugne es, wenn du kannst, daß ich dir recht nützlich gewesen bin.«
»Das kann ich nicht leugnen«, gestand sie kläglich. »Und ich kann auch durchaus deine Wut und deine Enttäuschung verstehen. Ich bitte dich nur, mir zu glauben, daß bei mir keine Absicht vorlag, dich zu benutzen.«
»Aber du hast dich nicht dazu imstande gefühlt, dich mir anzuvertrauen«, stellte er fest. »Auch nicht, nachdem es zwischen uns glatt und harmonisch lief. Was habe ich in diesen letzten Wochen getan, daß du mir dein Vertrauen verweigerst, Judith?«
Wieder schüttelte sie hilflos den Kopf. »Nichts... nichts... aber wenn ich dir von unserem Plan erzählt hätte, hättest du mich an der Ausführung gehindert, nicht wahr?«
»O ja«, erwiderte er grimmig. »Ich hätte dich in deinem Zimmer eingeschlossen und den Schlüssel weggeworfen, wenn das die einzige Möglichkeit gewesen wäre, meine Frau daran zu hindern, meine Ehre auf so verabscheuungswürdige Weise in den Schmutz zu ziehen.«
Judith wurde rot, und zum ersten Mal schwang wieder eine Spur von Dynamik in ihrer Stimme mit. »Gracemere hat nur bekommen, was er verdient. Er hat Sebastian wochenlang bestohlen und bestohlen. So, wie er unseren Vater betrog... ihn betrog und ihn dann auch noch der Täuschung beschuldigte. Könntest du so kleinmütig und feige sein, einen Mann straffrei davonkommen zu lassen, der so etwas deinem Vater angetan hätte? Kannst du nicht das Bedürfnis nach Rache verstehen, nach Gerechtigkeit, Marcus? Diese Kraft, die dich vorwärts treibt, die dein ganzes Sinnen und Trachten beherrscht, so daß du immer nur überlegst, wie du dich irgendwie für das Unrecht rächen kannst... das zurückholen kannst, was dir gestohlen wurde?«
Marcus reagierte nicht auf diese leidenschaftliche Bitte. Statt dessen fragte er in einem Ton zurückhaltender Neugierde: »Sag mir eins, war es purer Zufall, daß ich von Morcby für heute abend eine Einladung bekommen habe?«
Judiths Wangen färbten sich noch dunkler, und ihr
Kampfeswille schwand, als sie die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage begriff. »Nein«, gestand sie kleinlaut. »Charlie...«
»Charlie? Willst du mir damit etwa sagen, du hättest meinen Cousin in dieses Täuschungsmanöver... diesen Betrug mit hineingezogen?« Seine Augen wirkten wie große schwarze Löcher in seinem bleichen Gesicht.
»Nicht direkt... ich meine, ich habe ihn tatsächlich gebeten, dir eine Einladung zu verschaffen, habe ihm aber nicht gesagt, warum.« Sie starrte Marcus an, beide Hände an ihre brennenden Wangen gepreßt, niedergeschmettert von dem, was sie gesagt hatte, von dem, was er das Recht zu fühlen hatte.
Er holte zitternd Luft. »Geh mir aus den Augen! Ich kann mir selbst nicht mehr trauen, wenn ich mit dir in einem Zimmer bin.«
»Marcus, bitte...« Sie machte einen Schritt auf ihn zu.
Er streckte abwehrend beide Hände aus. »Geh!«
»Bitte... bitte versuche zu verstehen, versuch die Sache auch ein wenig mit meinen Augen zu betrachten«, bat sie, nicht bereit, sich einfach hinausschicken zu lassen, voller Furcht, daß sich der breite Riß, der zwischen ihnen klaffte, nie wieder schließen würde, wenn sie seiner Aufforderung gehorchte.
Marcus packte Judith an den Oberarmen und schüttelte sie, bis ihr Kopf vor- und zurückschwankte und ihr ganz übel wurde. Dann fielen seine Hände von ihr ab, als sei sie etwas Abstoßendes, das zu berühren er keine Sekunde länger ertragen konnte. Während Judith benommen in der Mitte des Raums stand und ihre schmerzenden Arme rieb, riß Marcus die Tür auf und stürmte ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer.
Judith ließ sich in den Armsessel vor dem Kamin sinken und schmiegte sich in die Polster, verkroch sich in sich selbst, gepeinigt von einem zutiefst schmerzlichen Gefühl der Zerstörung.
Sie wußte nicht, wie lange sie dort schon gesessen hatte
- in sich zusammengekrümmt wie ein kleines verwundetes
Tier in Smaragden und goldfarbenem Tüll und Seide bevor Marcus zurückkehrte.
Er blieb neben ihr stehen und sagte mit kühler Höflichkeit: »Es tut mir leid, wenn ich dich verletzt habe. Das war nicht meine Absicht. Komm jetzt mit hinauf, du brauchst deinen Schlaf.«
»Ich glaube, ich bleibe lieber hier unten, danke.« Sie hörte ihre Stimme, die ebenso steif und förmlich wie seine
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