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Bleib ungezaehmt mein Herz

Titel: Bleib ungezaehmt mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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immer. Jetzt brauchte er nur ein Spiel zu gewinnen, bei dem die Einsätze wirklich hoch waren, und er hätte seine Verluste mit einem Schlag wieder wettgemacht. Mit diesem Wissen im Hinterkopf spielte er seine erste markierte Karte aus. Seine Fingerfertigkeit war so enorm, daß Judith beim ersten Mal nichts von dem Betrug merkte und er hoch gewann.
    Sebastian blieb ungerührt, schob nur einen beträchtlichen Stapel von Jetons über den Tisch. Judith stieß einen erregten kleinen Schrei aus und meinte im Flüstern: »Oh, gut gemacht, Sir!«
    Gracemere schien sie nicht zu hören. Er erhöhte den Einsatz sofort noch einmal. Inzwischen strömten von allen Seiten Leute an den Tisch, angelockt von der gespannten Atmosphäre.
    Es war warm im Raum, und Judith klappte ihren Fächer auf.
    Gracemere überkam plötzlich das grauenerregende Gefühl, das alles schon einmal erlebt zu haben, nur unter umgekehrten Vorzeichen. Diese Szene hatte sich schon einmal abgespielt, aber mit einem entscheidenden Unterschied. Er gewann nicht. Er spielte mit beharrlicher Konzentration, stellte jetzt ebenso viele Schuldscheine aus, wie es sein Gegner am Abend zuvor hatte tun müssen. Er brachte seine markierten Karten ins Spiel, und dennoch gewann er immer noch nicht. Einmal warf er seinem Gegner über den Tisch hinweg einen wilden Blick zu, als er ein Herz ausspielte, das eine Repique vereiteln würde. Doch Davenport schien darauf vorbereitet, spielte seine eigene Zehn aus und hielt damit seinen Punktevorsprung. Wie zum Teufel war das möglich? Es gab keine Erklärung, außer daß sich sein Gegner von einem unbedarften Anfänger in einen Kartenspieler von erstaunlicher Geschicklichkeit verwandelt hatte. Und nicht nur Geschicklichkeit - es wären schon magische Fähigkeiten erforderlich, um den gezinkten Karten des Earls zu trotzen.
    Gracemere blickte zu der Frau auf, die neben ihm stand und sich lässig Kühlung zufächelte. Sie lächelte ihm tröstlich zu, als verstände auch sie nicht, was ihm passierte... als glaubte sie einfach nur, ihr Bruder hätte ausnahmsweise mal eine Glückssträhne.
    Ich bin ein gewiefter Spieler, dachte Gracemere. Er wußte, er brauchte nur ein einziges Mal zu gewinnen. Wenn er alles einsetzte, was er noch besaß, würde er seine gesamten Verluste wieder wettmachen können und seinen Gegner in den Ruin treiben.
    George Devereux hatte beim allerletzten Spiel das Familiengut in Yorkshire als Einsatz gewettet. Bernard Melville riß einen weiteren Zettel von seinem Block ab, kritzelte seinen Wetteinsatz darauf - das Anwesen, das er George Devereux abgewonnen hatte - und schob das Blatt Papier seinem Gegner über den Tisch zu. Sebastian warf einen Blick darauf, dann türmte er seine eigenen Gewinne, Jetons und Schuldscheine zu einem Haufen auf der Seite des Tisches zusammen und fügte noch einen Schuldschein hinzu, um damit die Differenz zu dem außergewöhnlich hohen Spieleinsatz seines Gegners auszugleichen. Er glitt mit der Hand in seine Tasche und zog bedächtig einen kunstvoll gearbeiteten Siegelring hervor. Dieses letzte Spiel spielte er für seinen Vater. Sein Blick flackerte hinauf zu seiner Schwester, die kaum merklich zur Bestätigung nickte, bevor er sich den Ring an den Finger steckte, die Spitzenmanschetten an seinen Ärmeln zurückschob, ein neues Kartenpäckchen aufriß und die Karten auszuteilen begann.
    Agnes Barret starrte wie hypnotisiert auf den Ring an Sebastian Davenports Finger. Die Welt um sie herum schien sich plötzlich mit schwindelerregender Schnelligkeit zu drehen und in einen Alptraum des Unglaubens abzudriften. Sie wollte Bernard eine Warnung zurufen, so übermächtig war sie sich der drohenden Gefahr bewußt, die dieser Ring verkörperte, aber aus ihrer Kehle wollte kein Laut herauskommen. Ihr Blick war darauf fixiert: auf den Familienring der Devereuxs. Sie riß ihre Augen von Sebastians langen, schlanken Fingern los und betrachtete seine Schwester. Für den Bruchteil einer Sekunde begegneten Judiths goldbraune Augen Agnes' starrem Blick, und die Erkenntnis traf Agnes mit der Wucht eines Hiebes. Und sie fragte sich geschockt und voller Verzweiflung, warum sie es nicht schon längst gewußt hatte... warum irgendein primitiver mütterlicher Urinstinkt versagt hatte, die Kinder wiederzuerkennen, die sie seit ihrem Säuglingsalter nicht mehr gesehen hatte.
    Marcus Devlin, Marquis von Carrington, stand in der Tür zum Kartenzimmer. Das Gemurmel der aufmerksamen Zuschauer um die beiden Spieler

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