Bleib ungezaehmt mein Herz
hat seinen Angriff hinausgezögert, sagen diese Gentlemen hier.«
»Carrington, guter Gott, was führt Sie hierher, Mann?«
Marcus fluchte im stillen, als er den Dragoneroffizier und seine beiden Kameraden erkannte, die an der Theke lehnten. »Ich bin auf dem Weg zu Wellingtons Hauptquartier, Francis.« Er betrat den Raum und nickte den beiden anderen Männern zu. »Whitby, George. Guten Tag.«
Colonel Lord Francis Tallent musterte seinen alten Freund mit plötzlicher Zurückhaltung. »Ehefrau?«
»Wir haben alle unsere kleinen Geheimnisse, Francis«, entgegnete Marcus beiläufig. Seine Freunde würden die richtigen Schlüsse ziehen und das Thema diskret fallenlassen. Die amourösen Abenteuer eines Mannes waren seine
Privatangelegenheit. Er drehte sich zu Madame Berthold um. »Könnten Sie einen kleinen Imbiß hinaufbringen lassen, Madame?«
»Und möchte Mylady eine Tasse Tee dazu oder vielleicht ein Glas Sherry?« Die Frau machte einen Knicks und lächelte verbindlich.
»Oh, Sie brauchen mir nichts aufs Zimmer zu bringen. Ich kann ebensogut hier im Schankraum essen. Ich bin so hungrig, ich könnte ein ganzes Pferd verspeisen!«
Judith Davenport rauschte lächelnd herein. Sie steckte noch im Gehen ihr Haar auf, drehte die wilden Locken mit geschickten Fingern zu einem Knoten und befestigte ihn mit einer Nadel. Sie trug keine Jacke, ihre Batistbluse stand nachlässig offen am Hals, ihre Brüste zeichneten sich deutlich unter dem dünnen Stoff ab.
»Marcus, ich dachte...« Ihre Stimme erstarb, als sie die anderen Männer im Raum bemerkte, die allesamt hochrot im Gesicht geworden waren. Sie ließ die Arme sinken.
Hatte Judith die Stimmen gehört? Wie konnte sie sie nicht gehört haben, als sie die Treppe heruntergekommen war? Ein plötzliches Schwindelgefühl erfaßte Marcus, als er sich der Ereignisse und ihrer unabänderlichen Konsequenzen bewußt wurde. Er hatte einmal einen Wilddieb in den stählernen Fängen einer Menschenfalle gefangen. Sein blankes Entsetzen beim Zustand des Mannes entsprach genau dem, was er jetzt für sich selbst fühlte, als die brutalen Fänge seiner eigenen Falle über ihm zuschnappten. Er hatte keine Wahl... nicht die geringste. Judith mochte eine Abenteurerin sein, aber er hatte ihr die Jungfräulichkeit genommen und wußte, sie war keine Hure... es sei denn, er machte sie zu einer.
»Sie kennen meine Frau natürlich, Francis«, sagte er. Er ging zur Tür, ergriff Judiths Hand und zog sie ins Zimmer hinein. »Meine Liebe, kennst du auch Viscount Whitby und George Bannister?«
»Wir sind uns schon einmal begegnet, glaube ich«, erwiderte Judith abgelenkt. Ihre Gedanken überschlugen sich, als sie sich der Katastrophe bewußt wurde. Diese Männer waren alle prominente Mitglieder der Londoner Gesellschaft. Die Geschichte dieses Zusammentreffens würde bald in aller Munde sein, und ihr, Judith, würde es niemals gelingen, die geheiligten Portale zu durchschreiten... und auch ihrem Bruder nicht. Und ihr Vater würde ungerächt bleiben. Marcus' Lügengeschichte war im Augenblick ihr einziger Schutz, und sie mußte einfach mitspielen, bis sie Zeit fand, die Dinge klar zu durchdenken.
»Zum Teufel auch, Marcus, du bist aber ein stilles Wasser!« rief Francis. »Geheimnisse, wie? Meine allerherzlichsten Glückwünsche, Lady Carrington.«
»Ja, allerdings. Darauf müssen wir trinken«, verkündete Bannister. »Bringen Sie uns eine Flasche Champagner, gute Frau.«
»Nun, ich weiß nicht, ob wir welchen haben, Sir«, erwiderte die Frau verlegen. »Ich werde Berthold fragen.« Sie eilte aus dem Raum, und Schweigen breitete sich aus. Die Verwirrung der anderen Männer war offensichtlich, obwohl sie höflich versuchten, sie zu überspielen.
»Und du nimmst Lady Carrington nach Quatre Bras mit?« fragte Whitby und hob das Bierseidel an seine Lippen.
»Als Ersatz für die Flitterwochen«, stimmte Marcus zu, ohne mit der Wimper zu zucken. »Etwas ungewöhnlich, aber die Zeiten sind ja auch nicht gerade entgegenkommend.« Sein Lächeln wirkte eine Spur verzerrt.
»Richtig«, erwiderte Lord Francis.
»Was gibt es Neues über die Schlacht?« Marcus wechselte übergangslos das Thema.
»Wie erwartet, greift er Blücher bei Ligny und Wellington bei Quatre Bras an.«
»Warum hat er mit seinem Angriff so lange gewartet? Ihm bleiben nur noch fünf Stunden bis Sonnenuntergang.«
»Nach dem Bericht unserer Agenten hatte er diesmal nicht seinen üblichen frühmorgendlichen Erkundungstrupp
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