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Bleib ungezaehmt mein Herz

Titel: Bleib ungezaehmt mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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losgeschickt und glaubte, er stände nur Blüchers einem
    Korps bei Ligny gegenüber. Er erkannte nicht, daß Ziethens Streitkräfte zur Unterstützung hergekommen waren, deshalb sah er keinen Grund zur Eile«, erwiderte Francis.
    »Aber trotz der Verzögerung werden wir an beiden Fronten übel in die Mangel genommen«, fügte Whitby düster hinzu. »Wellington mußte schwere Verluste bei Quatre Bras hinnehmen, und wir haben Order, Verstärkung aus Nivelles anzufordern.«
    »Hier ist ein kleiner Imbiß, Mylord, und eine Flasche von Bertholds bestem Bordeaux.« Die Frau des Gasthofbesitzers kam mit einem schwer beladenen Tablett herein. »Ich hoffe, es genügt Ihren Ansprüchen. Wir haben keinen Champagner, Sir.«
    »Es genügt vollauf«, versicherte Marcus ihr. Er zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor. »Judith, komm her und setz dich. Gentlemen, wollen Sie uns Gesellschaft leisten?«
    »Danke, nein, Carrington. Ich hoffe, Sie entschuldigen uns, Madam.« Whitby verbeugte sich formell. »Tatsache ist, daß ich schon vor einiger Zeit gegessen habe.«
    »Es ist wirklich schon etwas spät fürs Mittagessen«, brachte Judith hervor. Sie nahm den Stuhl, den Marcus ihr anbot, und warf ihm dabei einen Blick zu. Seine Miene war so undurchdringlich wie der Ausdruck seiner Augen.
    »Darf ich dir etwas Schinken abschneiden?« fragte er mit kühler Höflichkeit.
    »Danke.« Eine leichte Röte überzog ihre Wangen.
    »Auch ein Stückchen Huhn?«
    »Bitte.« Sie senkte den Blick auf das Tischtuch, kam sich vor, als hätte sie irgendein schreckliches Verbrechen begangen, für das die Vergeltung schon im Hintergrund lauerte.
    Ihr war elend zumute. Schweigend konzentrierte sie sich auf das Essen und überließ den Männern die Unterhaltung. Das Donnern der Kanonen hielt unvermindert an, bis es von einem immer stärker werdenden Tosen, das von draußen hereindrang, übertönt wurde. Nach und nach konnte man in dem Lärm aufgeregte Rufe, Schreie und das Trampeln von Füßen ausmachen.
    Lord Francis rannte zur Tür, gefolgt von den anderen. Eine regelrechte Flutwelle von Menschen - einige zu Pferde, einige in Zweispännern und Kutschen, aber die meisten zu Fuß - ergoß sich die Straße Richtung Brüssel hinunter. Frauen mit Säuglingen im Arm und kleinen Kindern, die sich an ihre Röcke klammerten, stolperten die harte, schmutzverkrustete Straße entlang; die Männer waren bewaffnet mit allem, was sie in der Eile hatten ergreifen können, mit Knüppeln, Messern, einer Donnerbüchse.
    »Was zum Teufel ist da los?« rief Marcus.
    »Sieht nach einer Schlappe aus«, sagte Whitby. »Wellington scheint auf dem Rückzug zu sein.«
    »Bis jetzt hat Napoleon ihn noch nie geschlagen«, erwiderte Marcus. »Ich kann einfach nicht glauben, daß es ihm diesmal gelungen sein sollte.«
    »Gentlemen, Gentlemen, die Leute sagen, die Armee zieht sich zurück!« Berthold, der Gasthofbesitzer, kam von der Straße hereingestürmt, wo er die Flüchtenden nach dem Stand der Dinge ausgefragt hatte. »Wellington weicht nach Brüssel aus. Die Preußen sind auf dem Rückzug nach Wavre.«
    »Hölle und Verdammnis!« George Bannister griff nach seinem Hut. »Wir sollten uns lieber schleunigst um unsere Geschäfte kümmern!«
    »Berthold!« brüllte Marcus, als der Wirt wieder zur Tür eilte. »Lassen Sie meinen Gaul vor den Wagen spannen.« Er lief zur Treppe, die zu den Schlafzimmern führte, und stürmte hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Judith stand in dem jetzt leeren Schankraum und lauschte einen Moment auf den Lärm der Menschenmassen draußen. Dann rannte sie hinter Marcus die Treppe hoch.
    Er schlüpfte gerade in seinen Mantel und überprüfte den Inhalt seiner Taschen. Als Judith hereinkam, schaute er auf und sagte kurz: »Ich fahre nach Quatre Bras. Du bleibst hier. Ich werde unsere Rechnung bezahlen, wenn ich zurückkomme und dich abhole.«
    »Du scheinst zu vergessen, daß ich ebenfalls nach Quatre Bras wollte«, meinte sie und schluckte hart, um den Kloß loszuwerden, der ihre Kehle versperrte. Bei dem Tumult, der im Augenblick überall herrschte, blieb natürlich keine Zeit, über die persönlichen Schwierigkeiten zu sprechen, in die sie hineingeraten waren, doch die Kälte in Marcus' Stimme war sicherlich nicht gerechtfertigt. Und Judith konnte nicht glauben, daß er die Absicht hatte, einfach auf und davon zu gehen und sie in einem einsamen Gasthof zurückzulassen, wo sie untätig herumsitzen würde, ohne zu wissen, was geschah.
    »Nun,

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