Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
fabelhafter Kerl zu sein, auch nach Aussagen von Mutti und Papa. Dabei könnte es Grete gar nicht besser treffen. Seine Abzüge betragen allein im Monat 185 M, da muß er doch schon ein ganz anständiges Gehalt haben. Wahrscheinlich respektiert er aber das Trauerjahr bei Grete. Um ein Haar wäre sie dort ums Leben gekommen. Obwohl sie dort erst Radfahren gelernt hatte, war sie den letzten Sonntag mit ihrem Toni ins Karwendel gefahren. Unterwegs, als es bergab ging, kam ihnen auf einer schmalen Straße ein großer Fernlaster entgegen beladen mit großen Baumstämmen. Grete wurde unsicher, stürzte, lag 10 Zentimeter vor den Rädern, und wenn der Fahrer sein Auto nicht in den Graben gelenkt hätte, wäre es um Grete geschehen gewesen. Dort hat sie dann von ihrem Toni vor lauter Freude, daß ihr nichts passiert ist, den ersten Kuß bekommen. Die Sorte Männer muß man heute wirklich mit der Stalllaterne suchen.
‘Rembrandt’ will ich mir lieber nicht ansehen, ich glaube, er ist mir zu tragisch. Denn dort stirbt eine Frau an seinem Kind und man soll sie ganz schrecklich schreien hören. Ich will das lieber nicht sehen, hole mir da lieber Karten fürs Capitol ‘Die große Liebe’ mit der ‘Safra’. Vielleicht für Sonnabend, da ist Grete wieder da, kommt am Freitag zurück. Und was hat Du nun für einen Film im Wehrmachtskino gesehen? Mit den zwei Reisen wird es wohl ein Traum bleiben. Man muß schon froh sein, wenn man sich eine im Jahr leisten kann. Evtl. acht Tage Wintersport noch. Aber Du, ich schicke Dir mal die Karte mit, wo Grete mit ihrem Toni war und wo jetzt Lisa wohnt, und Martin heute noch und Erika und Heinz am Dienstag hinfahren. Lockt Dich das nicht mal da oben ganz für Dich allein zu wohnen? Ich verspüre eine richtige Sehnsucht da hinauf. Vielleicht wird es doch die erste nach dem Krieg? ... Der Stoff für Mutter ist noch nicht gekommen. Warum hast Du den bloß dorthin geschickt? Hast Du gedacht daß Mutter es sich dort schneidert? Ich nehme an, daß Du ihr damit eine Freude machen wolltest. Was machen denn nun Deine Einlagen und Schuhe?
Jetzt ist es ½ 10 Uhr und ich will Schluß machen und Heidi holen. Bleibe gesund, kleiner Mann, nimm viele herzliche Grüße und behalt lieb
Deine Leni und Dein Heidikind.
Leipzig, den 2.9.1942
Mein lieber Hans!
Für einen Brief habe ich mich nicht zu bedanken, denn sonst steht das am Anfang meines Schreibens. Ich möchte Dir aber noch einen recht schönen Sonntag wünschen, und das es noch mal mit Baden klappt. Jetzt liegen alle in der Falle, Vater, Mutter und Heidi, ich habe bis jetzt geplättet und will Dir nun noch schnell ein paar Zeilen schreiben. Hast Du meinen letzten Brief vom Sonntag mit Zigaretten erhalten? Und hat Dir Grete die Bilder nun geschickt? Wenn nicht, so kommt sie ja Morgen, geht alles gleich, Bilder, Album, Bälle, Stäbchen im Zulassungspäckchen ab. Lieberoths haben heute an mich geschrieben, ach was, ich schicke Dir die Karte gleich mit, da kannst Du selber lesen. Soll ich hingehen? Du, die Frau, der Du den Tee besorgt hast, hat wieder 45 M hergelegt und fragt ob sie noch mal Tee bekommen kann? Sie will Dir dafür ein schönes Buch schenken. Dann habe ich jetzt den rosa Stoff für 25 M verkauft. Also 9 M dabei verdient. Ich kann dort noch mehr los werden. Bist Du böse, wenn ich jetzt schreibe, daß Du noch Stoff besorgen kannst? Sicher wirst Du denken, daß ich nicht weiß, was ich will, und eigentlich hast Du recht, aber nachdem nun der Anfang mit verkaufen gemacht ist, wird es auch weiter gehen. Vielleicht können wir es aber so machen. Du wartest, bis ich Dir jetzt vielleicht 60 oder 80 M schicke, besorgst Stoff (Garnituren werde ich auch reißend los), ich verkaufe und schicke Dir das Geld, der Gewinn geht 50 zu 50. Wie findest Du das?
Herrscht denn bei Euch auch so eine tropische Hitze? Es ist direkt unheimlich warm. Jetzt zum Beispiel sitze ich in dem neuen Nachthemd, das Du mir geschenkt hast, da. So kann man es wenigstens aushalten. Heidi liegt auch ohne Zudecke im Bettchen. Sie wird alle Tage goldiger und kann man sie jetzt schon ordentlich wurschteln. Ich könnte mir mein Leben ohne unser Kerlchen gar nicht mehr denken, trotzdem sie mich vor zwei Nächten überhaupt nicht hat schlafen lassen. Wir haben jetzt außer dem Fliegeralarm noch ein Luftwarnzeichen. Es ist dreimal hintereinander ein hoher Ton, und wird gegeben, wenn Flieger einfliegen, aber mit Bombenabwürfen nicht gerechnet wird. Luftschutzmäßiges
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