Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
denn das hat sie ihr zu Hause weggenommen. Manche Menschen sollen wirklich nicht froh werden.
Am Sonntag ist nun der große Tag bei uns, und am liebsten würde ich alles wieder abblasen, denn es macht nur böses Blut mit der Patensteherei. Jetzt wollen alle stehen, und wenn wir vielleicht noch mal ein Kind haben werden, ist dann niemand. Jetzt habe ich eintragen lassen: Mutter, Mutti, Lisa, Erika, Elli und Grete. Sechs darf man nur haben. Tante Gretchen sagte mir mal, daß Schramms aus der Kirche ausgetreten seien, Paten aber unbedingt einer Religion angehören müssen.
Heidis Taufe am 27. September 1942,
Heidi, Omi Helene Jentzsch, Uli Schlicht
Schramms hatte ich so eingeladen. Heute nachmittag kam Tante Anna ganz aufgeregt und sagte für Sonntag ab, sie könne unmöglich kommen, wenn keiner von ihnen Pate ist. Tante Anna war tief beleidigt, obendrein stellte sich jetzt heraus, daß Tante Anna noch in der Kirche ist. Es ist ein tüchtiger Kotz, ich weiß gar nicht mehr, was ich mache, zumal auch schon alles bei der Kirche angegeben ist. Irgendjemand fühlt sich eben immer hintenan gesetzt. Wenn ich es wirklich noch ändern lasse, wen soll ich dann streichen? Grete bleibt auf alle Fälle, denn sie hat das erste Anrecht mit darauf, schon daß sie die ganze Schwangerschaftszeit bei mir war, die Geburt mit durchgemacht hat, und zu Heidis erstem Pflegepersonal gehört. Eben kommen Mutter und Frau Kühn aus dem Theater. ‘Zigeunerbaron’. Mutter hat heute Heidis Taufkleidchen genäht. Wirklich ganz entzückend und werde ich sie darin fotografieren. Ich werde ein bissel Kuchen backen und am Abend Kartoffelsalat und Klops machen. Wenn wir Mittag schon zusammen essen wollen, müssen mir alle ein paar Fleischmarken geben. Für abends habe ich die Marken gespart.
Dann fragst Du mich, wie ich mich dazu stellen würde, mit Grete mal nach Saaz zu fahren. Weißt Du, ich bin Dir darüber noch nicht näher eingegangen, und habe auch hier zu niemandem gesprochen, eben auch wieder, damit ich niemand treffe. Denn Mutter würde es schwer treffen, wenn ich jetzt mit Heidi ein paar Wochen von Leipzig wegginge, denn sie hängt sehr an ihr. Man weiß nie, wie man es recht macht. Wegen meinem Unterleib brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen, ich glaube, Du hast mich verkehrt verstanden. Ich schrieb, daß ein Zeichen ist, daß mein Unterleib noch Ruhe braucht, da meine Periode noch nicht wieder da ist. Nicht, daß man da krank ist. Also keine Sorge. Die kann ich mir früher um Deine Pinkelei machen. Wie geht es jetzt? Ist es ein bissel besser? Und auch der Kopfschmerz? Der berühmte Tee, den Du nicht kennen willst, ist Euer bewährter ‘Hängolin’.
Für heute will ich schließen, kleiner Mann. Übrigens habe ich ‘Odyssee’ bekommen, aber nach ‘Julia und Romeo auf dem Lande’ in fünf Buchhandlungen vergeblich gefragt.
Ich wünsche Dir nun eine recht gute Besserung und schicke Dir viele liebe Grüße und einen Kuß von
Deinem Heidikind und Deiner Lenifrau.
Leipzig, den 4.10. 1942
Mein lieber alter Strolch!
Deinen lieben Brief am Freitag habe ich erhalten und danke ich Dir recht herzlich dafür. Es tut mir sehr leid, daß aus Deiner Reise nichts geworden ist, aber dafür bist Du ja nun von Eurer alten Kompanie weg, und ich wünsche Dir für die Neue alles Gute, viel Erfolg in Deiner Arbeit und eine recht recht gute Kameradschaft. ... Wo bist Du denn jetzt, ist es ein größerer Ort? Ich glaube doch sicher, daß Du mit Deinem nächsten Brief mir alles ausführlich erzählen wirst.
So jetzt haben wir gespeist (Rouladen, Rosenkohl, Kartoffeln und Birnenkompott), prima, was? Heidi Grießbrei und Spinat, und jetzt steht sie vorn bei uns auf dem Balkon und schläft. Sie hat schon zwei Nächte mich fast nicht schlafen lassen, denn unser Kind hat den Schnupfen, und quakert es immer in ihrer Nase rum. Hoffentlich ist er bald weg, trotzdem aber ist Deine Roswitha vergnügt und guter Dinge. Heute Morgen war ich so müde, daß Grete mal für mich gebadet hat, und ich habe mal bis ½ 10 Uhr geschlafen. Mutter, Vater, Frau Kühn und Frl. Böttger machen eine Partie nach Schkeuditz. Wir haben einen ganz herrlichen Herbst, einfach wunderbar, trotzdem habe ich aber bei uns im Zimmer eine kleine Husche, denn wenn ich Heidi ein- und auswickeln tue, ist es so für sie zu frisch. Unser kleiner Kerl ist so goldig, und möchte ich sie um nichts wieder hergeben. Wenn Du kommst, wird sie wahrscheinlich schon sitzen, denn sie macht
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