Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
schon etwas Genaueres schreiben. Ich bin nun ganz froh, dass ich hier in Dresden bis heute noch keinen Urlaub gehabt habe, denn das hat man uns zugesagt, die wir bisher noch keinen Nachturlaub hatten, dass wir mit zuerst nach Hause fahren dürften. Also haben wir doch ganz große Chancen. Da wollen wir beide nur feste die Daumen halten. Mit dem Lehen Baldauf habe ich mich wieder versöhnt, das heisst, er redet wieder mit mir, worüber ich natürlich ganz beglückt bin. Aber gestern Nachmittag bin ich wieder bei ihm angeeckt. Er ist über einen Leitungsdraht gestolpert und hat sich gestern dann Bettruhe geben lassen. Als er sich beim Abmelden beim Feldwebel stand, habe ich ihm zugerufen, dass er das Hinken nicht vergessen soll. Das hat ihn wieder mächtig gekränkt, aber er macht nun gute Miene zum bösen Spiel. – So, kleiner Strolch! Jetzt muss ich vorläufig schliessen, denn jetzt muss ich mich zur Wache und zum Essen fertig machen.
So, kleine Maus! Nun ist es glücklich Sonnabend früh 1 Uhr geworden und in einer Stunde geht’s wieder zwei Stunden auf Streife. Gestern nach dem Mittagessen haben wir eine Stunde zum Anziehen gebraucht, denn vor Antritt der Staatswache wird jeder Mann genau vom Spiess auf seinen Anzug geprüft. Der Marsch von unserer Kaserne bis vor zur Wache geht dann noch, aber dann kommt man sich vor der Wache wie im Ballett vor. Aber es hat fürs erste Mal ganz gut geklappt, nur das Flaggen niederholen war gemäß Ausspruch des Offiziers des Dienstes mehr auf ein Staatsbegräbnis als auf einen Kasernenbetrieb abgestimmt. Werner Paul hatte nämlich die doppelte Zeit als der Trommler gebraucht. Ich war dann die ganze Zeit von 18-20 Uhr Bereitschaft und war immer auf der Achse Besuch in die einzelnen Kasernen schaffen, Neueingezogene in die verschiedenen Abteilungen zu bringen und ab und zu mal als Laufboy in die Kantine. Um 20 Uhr habe ich dann mit meinem Spannemann die Streife angetreten. Das war bei dem schönen Wetter sehr angenehm, zumal wir eigentlich den schönsten Teil erwischt haben. Da hatte ich immer wieder den Gedanken, auf Urlaub zu sein und als wir dann hinten am Heller vorbeikamen, konnte ich mir vorstellen, an der See zu sein, denn das Waldrauschen konnte doch die See sein. Und wir fahren doch nächstes Jahr an die See in Urlaub? Ja? Das muß doch zu schön sein, wieder einmal den ganzen Tag mit Dir zusammen zu sein, aber ich wäre momentan schon zufrieden, wenn bald der Fünf-Tageurlaub kommt. Nach Beendigung der Streife um 22 Uhr habe ich gegessen und dann habe ich mich hingelegt und bis kurz vor 1 Uhr versucht zu schlafen, aber erstens lassen es hier die Fliegen nicht zu. Dann der Radau und nicht zuletzt in voller Kriegsausrüstung schlafen, das haben wir noch nicht gelernt. Man darf eben hier nicht abschnallen und wenn man da liegt, ist entweder das Seitengewehr oder die Patronentasche im Wege und die Langschäfter sind im Schlaf auch nicht angenehm. Von 2-4 ist dann für mich die letzte Streife, dann kann ich mich nochmals bis 5 Uhr hinlegen. Dann zwei Stunden Bereitschaft und zwei Stunden Ruhe und um 18 Uhr ist Feierabend. Es ist ganz schön, den Betrieb mal kennengelernt zu haben, aber für die Dauer ist zum Kotzen.
So, nun habe ich wieder mal ein Langes und Breites nur von mir erzählt und nun will ich aber auch genau wissen, was Du die letzten Tage getrieben hast. Bist Du nun mal in dem Tennisklub gewesen und hast Du Dich angemeldet? Habt Ihr die Woche Tennis gespielt? Das fehlt mir hier doch und wenn ich mal einen Tennisplatz sehe, habe ich immer große Lust zu spielen. Lebt denn der Romméklub noch mit seiner 30 Minuten Gedenkzeit? Das Eiserne muss doch jetzt ein Genuss sein. An den Club viele Sommergrüsse. Warst Du denn nun mal mit Scharmes fort? Mir ist vor heute abend eigentlich etwas Angst, denn drei Stunden Schlaf sind doch etwas wenig. Aber Montag und Dienstag gehe ich um 8 Uhr zu Bett und hole alles nach. Ihr müsst doch jetzt schönes Badewetter gehabt haben oder bist Du nicht vom Balkon herunter gekommen? Was machst Du denn am Sonntag? Wir werden um 4 Uhr wieder an Dich denken, kleine Maus. Morgen abend werde ich die Eltern an die Bahn bringen und da stelle ich mir wieder vor, wie ich Dich vorigen Sonntag nach Hause schicken mußte und Dich doch lieber hier behalten hätte.
Nun muß ich aber Schluss machen, denn der Dienst ruft. Bleib mir recht schön gesund und behalt mich recht lieb kleine Maus. Tausend Grüsse und Küsse und einen angenehmen
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