Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
nur eine Karte bekommen solltest, heulst Du auch nicht, nein? Denn am Freitag muß ich alles für meine Mutter fertig machen, und am Sonnabend-Sonntag haben wir ja großen Hochdruck. Aber wenn die Geister am Sonntag raus sind, versprech ich Dir, Dir einen sehr schönen Brief zu schreiben. Bist Du da zufrieden?
Und nun grüße Deine Eltern recht herzlich von mir. Zu Weihnachten komme ich sie wieder einmal besuchen. Und Dir viele liebe Grüße und einen ‘Süßen’ von
Deinem Schlumps.
Ostrau, am 5.1. 1936
Mein Strolch!
Nun bin ich schon wieder zwei Tage hier. Kannst Du mir sagen, wo meine 14 Tage Urlaub hin sind? Und liegt eine lange Zeit vor uns – bis Ostern – mir kommt es jetzt unendlich lang vor. Aber ich will um Gottes Willen nicht jammern, sonst fängst Du armer kleiner Junge ja gleich wieder an zu jammern. Für Deinen heutigen lieben Brief danke ich Dir übrigens erst einmal recht herzlich. Weißt Du, ich bin eigentlich noch gar nicht richtig hier, meine Gedanken sind immerfort noch in Leipzig. In Dresden habe ich Fräulein Töpel getroffen und wir sind dann gemeinsam weitergefahren. In Schandau goß es natürlich in Strömen – wie immer weint der Himmel, und an der Bahn war auch niemand. Da haben wir eben unseren Koffer allein raufgezuckelt. Ilse und Anni waren schon da. Aber es sah so trostlos aus, so tot und ausgestorben, und ich kam mir wie auf Besuch vor, und wäre am liebsten wieder umgekehrt. Zu tun haben wir natürlich jetzt noch mächtig gehabt, heute Mittag haben wir aber Feierabend gemacht. Das andere wird morgen erledigt. Und morgen kommt auch der Kurs. Ach Strolch, ich hab so gar keine Lust, noch dazu wo alles Kommende so unbestimmt ist. Wenn ich doch bald etwas in Leipzig finden würde. Nach Hause schreib ich das natürlich nicht, aber Dir kann ich doch schon alles schreiben, nicht? Heute will ich auch noch an Tapfer schreiben.
Montag
So, mein Strolch, mit dem Schreiben an Tapfer ist nichts geworden. Kannst Du mir vielleicht mal die genaue Adresse von dort mit schreiben. Sie steht im Telefonbuch. – Und nun wegen Deinem Photo. Weißt Du, ich kann Dir da schlecht raten. Ich bin da nicht so Fachmann wie Du. Aber wenn Du Deinen Photo nicht mehr leiden magst, so ... doch ruhig. Aber überreden will ich Dich auf keinen Fall.
Und nun muß ich schnell aufhören, denn ich muß jetzt dienstlich nach Schandau, und da will ich Deinen Brief doch gleich mitnehmen. Bleib mir hübsch gesund und behalte recht lieb
Deinen Schlumps.
Herzliche Grüße auch an Deine Eltern.
Cape Girardeau, Mo. Juli 13/36
Mein lieber Hans:
Ich habe die Karte von Deiner Verlobung erhalten und wünsche Euch ein recht glückliches Leben.
Wir haben hier zur Zeit sehr heißes und trockenes Wetter. Auch haben sich die Zeiten für die Beschäftigung der Leute noch nicht gebessert.
Nun ich habe sonst nichts worüber ich Dir schreiben könnte von Interesse.
So schließe ich mit vielen Grüßen an Euch alle
Otto Grüneberg. 5)
Am 7. August 1937 heirateten Hans Helm und Leni Jentzsch. Sie wohnten mit Paul und Lina Helm, den Eltern Hans Helms, zusammen in der Steubenstrae 37 in der vierten Etage. Ihre Hochzeitsreise führte sie für vier Wochen nach Tingsryd zur Familie Rydberg.
Steubenstraße (Holbeinstraße) 37 in Leipzig -Schleußig
Anmerkungen 1935/1936
1) BDM: Bund Deutscher Mädchen
Der Bund Deutscher Mädel (BDM oder BdM) war in nationalsozialistischer Zeit der weibliche Zweig der Hitlerjugend (HJ). Darin waren im Sinne der totalitären Ziele des NS-Regimes die Mädchen im Alter von 10 bis 18 Jahren organisiert, den Jungmädelbund (JM) der 10- bis 14-jährigen Mädchen eingeschlossen. Aufgrund der ab 1936 gesetzlich geregelten Pflichtmitgliedschaft aller weiblichen Jugendlichen, sofern sie nicht aus „rassischen Gründen“ ausgeschlossen waren, bildete der BDM die damals zahlenmäßig größte weibliche Jugendorganisation der Welt mit 4,5 Millionen Mitgliedern im Jahr 1944.
2) Kraft durch Freude (KdF): Die nationalsozialistische Gemeinschaft Kraft durch Freude (KdF) war eine politische Organisation mit der Aufgabe, die Freizeit der deutschen Bevölkerung zu gestalten, zu überwachen und gleichzuschalten.
Die Organisation bestand von 1933 bis 1945, wobei die meisten Operationen mit Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 eingestellt wurden. Kraft durch Freude war eine Unterorganisation der Deutschen Arbeitsfront (DAF). Mit dem Amt für Reisen, Wandern und Urlaub, das Land-
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