Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Anschrift habe, geht der Brief fort. Also als erstes hat Erika gestern am 20. geheiratet. Heute früh um 6 Uhr kam ein Telegramm ‘Soeben geheiratet - Erika und Heinz’. Nun waren wir heute Nachmittag alle drinnen versammelt zu gutem Kaffee, Torte und Kuchen. Anwesend waren Papa, Mutti, Lisa, Martin, Fräulein Fu, Käthe und ich. Käthe hatte eine ganz wunderbar eigenartige Blüte gebracht, eine Amaryllis oder so was ähnliches. Ich kenne mich da auch nicht so aus. Es war wirklich sehr nett. Ferner hat Martin heute die restlichen Kohlen geliefert, und da Du nun nicht da bist, werde ich mich nun eben morgen hinstellen und schichten müssen. Ja,ja, Du hast Glück, mein Sohn. Weißt Du überhaupt schon, daß ich am Sonntag Schi fahren war? Der Chef hat am Montag Frau Holzmann gefragt, ob ich krank sei, und sie hat natürlich geantwortet, ich sei ganz fidel und sogar am Sonntag Schi fahren gewesen - da staunst Du, was?
Nun hoffe ich, daß Du ein recht gutes Quartier hast und recht nette Wirtsleute nebst Töchterchen. Nun machs gut, kleiner Mann, heute gibt es nichts mehr Neues außer daß ich Sehnsucht nach Dir habe. Gute Nacht, ich gehe jetzt schlafen
Kuß Leni.
Mittwoch, 22.1.
Nun ist wieder ein Tag rum und mein Tagespensum ist fällig, damit Du immer weißt, was ich getrieben habe und nicht denkst, daß ich auf Abwege gerate. Mit Kohle schichten ist heute nichts geworden, denn als ich nach Hause kam, war Mutter mit Schichten bereits fertig. Ich habe zwar mächtig geschimpft, aber geschichtet blieben sie trotzdem. Sonst gibt es heute nichts Neues, außer daß wir ein ganz fürchterliches Tauwetter haben und heute noch den ganzen Tag Regen dazu. Die Eltern sind heute in ‘Kora Terry’ und so hause ich allein zu Hause und habe Strümpfe bis jetzt gestopft. Zeitig ins Bett wollte ich ja auch gehen, denn ich bin hundemüde, aber ½ 10 Uhr ist es auch schon wieder. Gestern waren wir bei Aida mit der Schokozuteilung dran, ich hatte tatsächlich die ernste Absicht, Dir Deinen Teil zu schicken. Ja, kleiner Mann, ich hatte! Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich das halbe Pfund Pralinen aufgefressen habe. Zankst Du? So, nun habe ich mit Dir Zwiesprache gehalten, schlafe rund mein Strolch
Leni
Freitag, 23.1.
Gestern konnte ich nun leider mein Teil nicht schreiben, denn mir wars zum Sterben mies. Wir Frauen haben es eben nicht leicht. Vom Geschäft aus bin ich aufs Sofa und bin dort nur aufgestanden um ins Bett zu gehen. Heute bin ich aber schon wieder mopsfidel. Ich hatte heute bestimmt gehofft, von Dir ein Lebenszeichen zu erhalten, es war aber leider nicht der Fall. Ich nehme nun daraus an, daß es Dir sehr gefällt. Nur kannst Du da leider keine Sonntagsgrüße von mir bekommen. Hast Du überhaupt Deine Schuhe und Windbluse bekommen? Und kannst Du schon zünftig reißen und schwingen oder stümperst Du noch am Schneepflug herum? Wart Ihr am Mittwoch tanzen? Wenn nicht wünsche ich Dir dazu am Sonntag viel Spaß. Ich bin noch nicht aus der Bude gekommen, aber am Sonnabend gehe ich groß aus, da gehe ich mit Helenchen in den Klausner. Wenn Frau Kühn heute kommt, werden wir unseren Doppelkopf spielen und wenn nicht, werde ich stopfen. Für heute Schluß, ich sage noch nicht gute Nacht, denn ich gehe noch nicht schlafen und wenn morgen von Dir keine Post kommt, kündige ich Dir die Freundschaft und werde meinen Kummer am Sonntag im ‘Süßchen’ zu vergessen suchen. Nun ein zünftig Schi Heil.
Leni
Sonnabend, 24.1.
Dein Glück, alter Lumisch, daß heute eine Karte von Dir ankam. Ich hätte es wirklich wahr gemacht. Zum Spielen sind wir gestern nicht gekommen, weil der vierte Mann fehlte. Da habe ich eben gestopft, und heute wie vergiftet gewaschen und Drillischjacken (richtig?) gescheuert und geschrubbt. Nun werde ich nachher in die Nürnberger abzittern. Bei Euch hat also Tauwetter geherrscht. Hat es sich denn jetzt wieder etwas gebessert? Ich werde aus Deiner Karte nicht recht klug, wonach Ihr gar keinen Schilehrer habt und selbständig seid. Du hättest eben doch Deinen Schilehrer von hier mitnehmen sollen.
Nun laß es Dir weiter in deinem Hotel gut schmecken und nimm viele liebe Grüße (den Brief wirst Du ja nun doch nicht Sonntag bekommen) und einen Kuß von Deiner kleinen
Lenimaus.
Auch von Mutter und Vater viele herzliche Grüße.
Dresden, 24.1. 41
Mein lieber kleiner Strolch!
Zuerst wünsche ich Dir einen recht angenehmen Sonntag und hoffe, dass Du mich inzwischen nicht vergessen
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