Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
überhaupt nicht an die Möglichkeit eines Zuschusses gedacht habe. Die Marmeladegläser bringe ich zum nächsten Urlaub wieder zurück.
Nun will ich erst nochmals Deinen Brief vom 12.10. durchlesen, ob es da noch was zu beantworten gibt, da ich Dir ja schon paar mal unterdessen geschrieben habe. Es war kein Brief, sondern eine Karte und da ist wohl alles beantwortet, aber weisst Du, wegen dem Schlitten hast Du mir immer noch nicht geantwortet. Heute mache ich das Zwiebelpaket fertig und eventl. kommen noch paar Äpfel mit rein. Jetzt muss ich aber bis heute Abend Schluss machen, denn gleich kommt der Leutnant und da habe ich dann Geräteappell. Um 5 Uhr fahre ich mit dem Bus nach Arnheim, denn ich gehe heute Abend ins Theater in ‘Die Maiennacht’. Hab eine Freikarte bekommen und 20.10 Uhr fahre ich zurück und setz mich dann gleich wieder zum Schreiben. Also bis dahin auf Wiedersehen.
So, nun bin ich wieder aus der Stadt gelandet, eben noch schnell paar Brote gegessen, im Radio spielt eben Günther Ramin ein Orgelkonzert auf Schallplatten, und nun soll es wieder mit Schreiben losgehen. Nachmittag hat mich der Leutnant eine Stunde warten lassen, so dass ich entweder meinen Besuch im Theater fallen lassen musste oder den Appell abbrechen. Ich habe mich natürlich bei meinem Arbeitseifer für letzteres entschlossen und erwischte ich mit Mühe und Not den Bus. (Jetzt singt gerade eine Sängerin ‘Ach ich habe sie verloren’ aus Glucks Oper ‘Orpheus’. Wir zwei haben sie von der Savah singen hören, ich glaube in ‘Es war eine rauschende Ballnacht’). Vielleicht hörst Du gerade mit, es sind wunderbare Melodien, jetzt kommt ‘Figaros Hochzeit’ dran. Wann werden wir mal wieder unbeschwert solche Musik hören?
In Arnheim hatte ich noch eine halbe Stunde Zeit, da lief mir ein alter Major über den Weg, den ich noch nach der Ostkommandantur lotsen musste. Dann bin ich zum Theater, ein wunderbarer Bau, fabelhaft ausgestattet, aber er wirkt innen trotzdem sehr kalt. Nichts von dem anheimelnden Inneren des Alten Theaters oder neuen Theater, wirkt eher wie ein neues Kino. Die ca. 800 Sitzplätze waren restlos von Landsern besetzt, die Aufführung und das Stück waren mittelmässig, Programm anbei. Am Montagnachmittag hatten wir bei uns auch die Wehrbetreuung da, ein Ansager, ein Klavierspieler, ein Geiger, eine Sängerin und eine Tänzerin, aber ich muss schon sagen, die Begeisterung bei Künstlern und Publikum war sehr mies. Man merkte, dass das Spielen vor Soldaten nur Geschäft war, auch in dieser Hinsicht macht sich die Länge des Krieges bemerkbar. Nicht vergessen will ich, dass ich heute die 20 Pfund Zwiebeln verpackt habe und um den Karton voll zu machen noch sechseinhalb Kilo Äpfel dazu gepackt habe. Ausserdem lege ich jetzt noch einen Einlieferschein über ein Paket an Dich bei, es kostet –.85 Pfennige, aber ich habe dem Kameraden M 1.30 gegeben. Eine genaue Abrechnung mit dem Porto machen wir, wenn ich Dir dann den letzten Schein schicken kann. (Jetzt spielen sie die ‘Kleine Nachtmusik’, ob Du wohl gerade mithörst?) Soso, da muss ich mich ja in Acht nehmen, wenn unser kleines Kerlchen gleich meine Briefe mitliest, aber nach ihren Ausbrüchen scheint sie mit dem Geschreibsel ihres Papas zufrieden zu sein. Ich bin wirklich sehr neugierig, ob sie sich recht verändert hat.
Nun dürfte ich wirklich im Besitze aller Deiner Briefe sein und muss ich Dich ob Deines Fleisses loben. Da hast Du ja arbeitsreiche Tage hinter Dir, kleine Maus, hoffentlich bist Du nicht zu sehr kaputt. Hast Du nun den Zahnarzt gut überstanden und musste er tatsächlich ziehen? Wegen dem ‘gleich gehen’ gestattest Du mir wohl ein stilles ‘hm hm’. Ich hatte wegen dem Wein nicht wegen des Danken geschrieben, sondern weil ich wissen wollte, ob der Stein den Wein noch am Sonntag oder erst am Montag zu Euch gebracht hatte. Er sollte doch ein Sonntagsgruss von mir sein. Und leider kam ja die Karte, worauf Du mir antwortetest, erst heute mit an, allerdings hast Du nochmals in Deinem vorletzten Brief wegen der Verteilung geschrieben. Für die Grüsse vom Meester und Helenchen danke ich, sie sollen nur nicht zu sehr arbeiten, denn die Jüngsten sind sie doch auch nicht mehr. Bitte grüsse sie recht vielmals von mir. Es scheinen ja nun nach und nach die fetten Sachen anzurollen und auch die Päckchen werden noch kommen. Um noch einmal auf die zukünftigen Butter- und Käsekäufe zu kommen, ich weiss nicht, wie Ihr es richtig
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