Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Gerade rüber von Frau Dr. Weise sind zwei Häuser von einer Luftmine zerstört, die Zeppelinbrücke hat einen Volltreffer bekommen, und ist gesperrt. Das ist der Anfang, kleiner Mann. Ob es weiter geht? Von Mutti habe ich heute einen Rucksack bekommen. Darin habe ich nur Lebensmittel ... verstaut, denn im Ernstfall muß ich die Hände für Heidi frei haben. Wann wird das Ganze ein Ende finden? Am Bayrischen Platz ist fast keine Scheibe ganz, doch das ist das wenigste, denn das ist zu ersetzen. In der Nürnberger aber alles in Ordnung. Das wollte ich Dir schreiben, damit Du weißt, daß bei uns noch alles in Ordnung ist.
Für heute genug, behalt uns lieb, und nimm 1000 liebe Grüße und Süße von
Deiner Leni und Heidi.
Leipzig, den 23.10. 1943
Mein lieber alter Strolch!
Nun will ich Dir früh noch paar Zeilen schreiben, denn ich bin wieder allein, und da habe ich Ruhe. Die Eltern sind ins Kino (Elite), denn weit wagt sich jetzt niemand. Wir haben einen ganz wunderbaren Herbst, so schön, daß man jetzt Ende Oktober ohne Mantel gehen kann. Das ist natürlich in Bezug auf Kohlen sehr wichtig. Heidi fängt an sich langsam selbständig zu machen. Jeden Morgen steckt sie jetzt unten im Hof oder besser gesagt bei Kürbissens im Garten. Da fühlt sie sich am wohlsten und zankt gewaltig, wenn ich sie mittags um 12 Uhr zum Essen hole. Sie ist dann aber sehr müde, und schläft bis gegen ½ 8 Uhr. Nachmittags steigen wir dann immer im Wald rum und rascheln im Laub. Augenblicklich ist allerdings das gesamte Rennbahngebiet wegen Blindgängern gesperrt. Gestern mußte ich nun endlich zum Zahnarzt gehen, und hat er mir mit vier Spritzen zwei Zähne gezogen. Heute bin ich dafür den ganzen Tag rumgelaufen als hätte ich ein Brett vorm Kopf. Kommenden Freitag um 3 Uhr geht die Zieherei weiter. Was ist denn das für ein Idiot von Arzt, der Dich dort behandelt hat? Geh nur prompt wieder hin, bis es dem zu viel wird, und er der Ursache des Übels auf den Grund geht. Hast Du Majas Brief gelesen? Was schreibt sie denn? Morgen Nachmittag will ich mal nach Liebertwolkwitz fahren und bei Deinem Kameraden fragen, wann er wieder wegfährt und ob ich ihm paar Kartons mitgeben kann. Ich würde sie ihm dann auf den Bahnhof schaffen. Gestern Abend hatte man wieder gedacht, daß Alarm kommt. Um 9 Uhr alle Sender weg und dazu hörte man es ununterbrochen schießen. Ich hatte wieder alles fertig und meine Russenstiefel an, und dann saß man und wartete. Kam aber nicht. Es hing aber am seidenen Faden. Der letzte Angriff hat doch ein ganz schönes Ausmaß angenommen. Heute stehen ja in der Zeitung eine ganze Menge Tote. Na, das wirst Du wohl selber lesen. Gestern sah man viele, wie sie mit Sack und Pack umzogen und Scheiben scheppern. Heidi hat sich wieder sehr über ihre Karte gefreut. Du solltest sie nur mal sehen, wie sie da immer lauscht, und ihr ‘ja, ja’ dazwischen wirft. Es tut mir sehr leid daß die Zigaretten von Lisa nichts wert sind. Ich selbst habe sie nicht probiert. Werde ihr das aber flüstern.
Sei nicht böse, wenn ich heute aufhöre. Ich muß noch Heidis Sachen stopfen und dann muß ich schlafen, denn ich bin so sehr müde. Die letzten sechs Tage hat man sich gar nicht groß ins Bett getraut und eigentlich immer gewartet.
Nimm für heute viele liebe Grüße und einen Kuß
von Deiner Leni und Heidi.
E.O., den 26.9. 43 (vermutlich 26.10.43)
Meine liebe kleine Lenifrau!
Gestern und heute waren für mich zwei schöne Tage, denn gestern kam der Kamerad Stein und brachte mir das Paket, und heute trafen von Dir die Briefe vom 22.10., die Karten vom 23. und 12.10. und von Mutter die Briefe vom 22.10 und 12.10. ein und danke ich Euch für die viele Post. Wo die Briefe vom 12.10 sich so lange rumgedrückt haben, möchte ich auch wissen, aber es ist schon schön, dass sie überhaupt angekommen sind. Dann danke ich Dir noch für die Grüsse, die Du durch Kamerad Stein übermitteln liessest sowie für die Zigaretten und die Marmelade. Du, kleine Frau, habe ich Euch mit den zwei Gläsern Marmelade nicht zu sehr beraubt? Die Karten hebe ich für Heidi alle auf und wird es ein ganz schönes Bilderbuch geben. Ich hoffe stark, dass Du doch noch den kleinen Obstkuchen backst und ihn Dir dann bei einer Tasse Bohne gut schmecken lässt, Voraussetzung dabei ist natürlich, dass Du dabei an mich denkst. Die Stäbchen kamen wieder sehr zu passe, da ich wieder restlos alle war und die Freude besonders gross, da ich
Weitere Kostenlose Bücher