Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
gelandet bin. Ob Dich dieser Brief nun in Leipzig noch antrifft, glaube ich kaum, aber Mutter wird ihn Dir umgehend nachschicken und schreibst Du mir sofort, wohin ich nun meine Post an Dich schicken soll. Bei meiner Rückkehr fand ich allerhand Post vor; Deine zwei Briefe vom 12. und 16., von Mutter ein Brief und ein Brief von Frau Ziemer und einer von Tante Berta. Ich habe mich nun gleich mit dem Kameraden aus Franken in Verbindung gesetzt wegen einer Unterbringung von Dir und den Eltern, aber ohne Erfolg. Er ist absolut nicht in der Lage, jemanden unterzubringen und zeigte mir auch einen Brief seiner Frau, worin stand, dass in der näheren Umgebung seines Ortes schon zwei Dörfer durch Fliegerangriffe total abgebrannt sind. Das wäre dann auch was Ungewisses. Frau Ziemer schreibt, dass es ihr nicht möglich war, eine Unterkunft für Dich zu finden, aber sie wollte Dich und die Mutter und Heidi bei sich selbst aufnehmen. Ich habe mir nun gedacht, dass Du nun erst mal acht bis zwölf Wochen in Saaz und Ostrau bleibst, wo es doch noch sicherer als dort oben ist und dann muss man sehen, wie die allgemeine Lage ist. Da nun die Eltern höchstens vier Wochen wegfahren wollen, schicke ich Mutter heute Frau Ziemers Brief und können sie sich nun selbst entscheiden, ob sie fahren wollen und dementsprechend an Frau Z. schreiben. Ich glaube, dass Du wohl damit einverstanden bist, für Mutter wäre es insofern schön, als sie noch nie am Meer gewesen ist und wird ihr das Klima wohl nichts schaden. Alarme haben sie ja auch, aber nicht so oft und bis jetzt ohne Angriffe.
Wie ich am Sonnabend in Bad Oeynhausen angekommen war, hatte ich Dir ja schon geschrieben. Am Sonntag früh bin ich dann mal bei der Weserhütte gewesen und dann habe ich die Leute gesucht, wo ich das Paket abgeben sollte; es war ganz in der Nähe und bin ich gleich zu meiner Unterkunft zurück und hab das Paket hingebracht. Unterdessen war es Mittag geworden und hab ich, da keine Wehrmachtsverpflegstelle am Orte war, dank Deiner Butter- und Fleischmarken, Rinderbraten und Gemüse gegessen, was sehr gut schmeckte. Dann bin ich zur Unterkunft zurück und wollte von 1 - 4 Uhr schlafen, aber um 3 Uhr bin ich aufgestanden, denn ich konnte es so allein nicht mehr aushalten und da bin ich ins Freibad, ein sehr schönes Bad, und habe dort bis ¾ 6 Uhr auf der Bank gesessen und zugeguckt. Um 6 Uhr hab ich mir eine Kurkarte besorgt und habe dann für zehn Gramm Fett warm abendgegessen. Darauf bin ich in den Kurpark und bin bis kurz vor 8 Uhr gelustwandelt; und weisst Du, welchen Film ich gesehen habe? ‘Träumerei von Schumann’ Es war ein sehr ergreifender und guter Film, den Du Dir unbedingt ansehen musst. Ich hatte nach Schluss noch keine Lust, schlafen zu gehen und bin noch ein Glas Bier trinken gegangen und lag dann ½ 12 Uhr im Bett. ½ 3 Uhr wach ich auf und höre die Sirene; ich hörte Stimmen auf dem Hofe, da bin ich mal schnell raus und habe gefragt, ob sie denn in dem kleinen Nest auch in den Keller gingen. Das nicht, wurde mir gesagt, aber aufstehen tun sie doch und im übrigen könnte ich mich wieder hinlegen, denn der Alarm wäre wieder vorbei, denn das, was ich gehört hätte, wäre die Entwarnung gewesen. Am Morgen wollte ich um 7 Uhr aufstehen, bin dann aber bis 8 Uhr wegen der gestörten Nachtruhe liegengeblieben. Dann hatte ich es allerdings sehr eilig, denn ich wollte 10.17 Uhr einen Eilzug nach Dortmund erwischen. Es klappte auch so, dass ich dann vor der Abfahrt noch eine Tasse Kaffee trinken konnte und von den mitgenommenen Broten das letzte futtern konnte. Mittags um 1 Uhr war ich dann in Dortmund und war ich hier wegen des Anschluss sehr im Druck. Erst hatte ich aber beim Roten Kreuz eine fabelhafte Erbssuppe verdrückt und dann ging das Gerenne los und mein Glück dabei war, dass mein Anschlusszug elf Minuten Verspätung hatte. Aber ich war wieder ganz durchgeschwitzt und schachmatt, als ich gegen 4 Uhr im Zug nach Oberhausen sass. Dort stand schon der Zug nach Arnheim, leer, sodass ich einen guten Eckplatz hatte. Seit meiner Abfahrt von Oeynhausen war meine Stimmung immer mehr gesunken, weisst Du, da fängt man an rückwärts zu rechnen, was man vor so und so viel Tagen getrieben hat und wo man da war. In Dortmund wäre ich am liebsten nach dem Südbahnhof gelaufen und wär mit dem SFR Zug 10) wieder nach Leipzig und somit zu Dir gefahren. Solange ich die fünf Tage zu Hause war, fühlte man sich zufrieden und nun fängt das wieder an zu
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