Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
zu nichts hat man mehr Lust und Ausdauer. Dazu das Regenwetter seit einigen Tagen, da wird man richtig pessimistisch. Aber dem Ende zu geht es, kleine Frau, das ist der einzige Trost, den man hat und gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass wir uns alle gesund wiedersehen. Hier gibt es nichts Neues, das ewige Einerlei des Dienstes Tag für Tag hängt einem zum Halse raus, aber besser ist es noch als woanders. Sei nicht bös, wenn ich schon schliesse, aber der nächste Brief wird wieder ein vernünftiger.
Und nun recht viele liebe Grüsse und Küsse, drück Heidi von mir und grüsse beide Eltern.
Dein Dichliebender Hans.
E.O., den 12.7 44
Heute bekam ich Deinen lieben Brief vom 6.7. sowie die grüne Karte vom 9.7. und danke ich Dir vielmals dafür. Auf Deine Briefkarte vom 7.7 habe ich Dir ja gestern schon kurz geantwortet. Letztere ist am 7.7. zwischen 6-7 Uhr nachmittags auf W 31 abgestempelt und Dein Brief am 7.7. 18.00 Uhr auf W 20 und dabei ist der Brief einen Tag später angekommen. Na, er ist nun aber auch da und habe ich mich gefreut, dass ich nicht so lange wie im Dezember auf ein Lebenszeichen warten musste. Dass ich durch Deinen Besuch etwas auf einen ausführlichen Brief warten musste, verstehe ich und war Dir deswegen auch gar nicht bös. Im Gegenteil habe ich mich mit Dir gefreut, denn es war ja für Dich eine Abwechslung, die ich Dir gönne. Dass ich mich sehr über Dein und Heidis Bild gefreut habe, kannst Du mir glauben, es war nicht eine, sondern die Geburtstagsüberraschung. Du weisst ja, dass ich mir immer ein Bild von Dir gewünscht habe und nun hast Du mir mit s0 einem gut gelungenen Foto solch grosse Freude bereitet. Es steht vor mir auf dem Schreibtisch, allerdings noch ohne Rahmen, denn trotzdem ich schon zweimal in Arnheim war und verschiedene Geschäfte abgeklappert habe, konnte ich einen mir und dem Bilde entsprechenden Rahmen noch nicht auftreiben, aber ich finde schon noch den richtigen. Deine Befürchtungen mit einem neuen schweren Angriff haben sich ja nun leider erfüllt und bin ich ja so dankbar, dass Ihr wieder mit dem Schrecken davon gekommen seid. Es müssen ja immer furchtbare Stunden für Euch sein und wundern wir uns alle, wie Ihr das aushaltet. Davon haben wir ja hier keine Ahnung, denn so was kennen wir hier nicht. Wir selbst, d.h. unsere Stellung ist ja so gut getarnt, dass sie von der Luft aus kaum zu sehen ist. Die Holländer in den Städten und die Landbevölkerung hatte allerdings in der letzten Zeit auch durch Tieffliegerangriffe Verluste, aber das kann man ja mit den schweren Angriffen im Reich überhaupt nicht vergleichen. In der Nacht am 9. seid Ihr nun schon wieder einem Angriff ausgesetzt gewesen, hoffentlich war es nicht wieder so schlimm wie am 7. und seid Ihr wieder gut davon gekommen. Für uns, die wir wissen, was Ihr durchmacht, ist das Gefühl, nicht helfen zu können, furchtbar und lieber wäre es mir, die Angriffe wären hier. Hast Du Dich nun mal befragt, wo Du mit Heidi hinfahren kannst, damit Du aus diesem Hexenkessel herauskommst? Und sind sich meine und Deine Eltern schlüssig, ob sie nicht doch lieber von Leipzig wegmachen. In und um Leipzig scheint es ja jetzt wüst auszusehen, ich glaube, von einer Stadt Leipzig kann man wohl gar nicht mehr reden und graut es einen, wenn man an die Zukunft denkt. Auf Deinen nächsten Bericht über die letzten Angriffe bin ich ja neugierig, wer weiss, was nun wieder alles an die Reihe gekommen ist.
Wegen eines Kammes für den Oschatzer Werner will ich mich gern einmal umsehen, momentan haben wir hier nichts da, aber es wird schon noch klappen und schicke ich ihn dann gleich nach Oschatz. Gretel und ihre Schwester sind ja gerade zur richtigen Zeit wieder weggefahren, hoffentlich habt Ihr während ihres Besuchs recht nette Stunden verlebt. Sie haben Dir ja allerhand Zeug mitgebracht, was Du sicherlich gut gebrauchen konntest. Heidi ist da ja fleissig auf den Beinen und mit Euch Großen gewesen; wenn ich vom Schreiben mal aufsehe, da lacht mich der kleine Kerl so lieb vom Bild aus an. Sehr leid tut es mir, dass es mit dem Meester gar nicht besser werden will, aber so eine Magensache ist auch nicht von heute auf morgen auskuriert und braucht man da nicht gleich den Mut sinken zu lassen. Mutter hat ja nun auf ihrer Fahrt und an Ellis Grab ganz trübe Sachen erlebt; man hätte ihr aber den Besuch nicht ausreden können und ich habe es sogar als richtig empfunden, genau wie eine Urnenüberführung unterblieben
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