Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Bücher besorgt, er hatte mich in einem sehr netten Briefe darum gebeten. Hier ist jetzt sehr viel überschwemmt und wo nicht, da ist viel Morast durch den vielen Regen. Es lässt sich nun bei unserem Dienst nicht vermeiden, dass man mit nassen Füssen und nass bis aufs Hemd nach Hause kommt. Zum Kurieren des Rheuma, so man welches bekommt, hat man ja nach dem Kriege Zeit. Seit vier Tagen hört und sieht man jetzt keine Jabos, ob das an unserer Offensive oder an dem oft einsetzenden Bodennebel liegt, wer weiss. Heute Nachmittag, wir mussten nach Beseitigung einer Störung unsere Räder wegen einer Panne an meinem Vorderrad schieben, flog mal ein Jabo und schoss auch in der Nähe mit Bordwaffen, aber sehen konnte der Bursche wegen Bodennebels doch nicht und knallte wahrscheinlich aus purer Langeweile in der Gegend herum. Mit Herbert haben ja Fränze und Ilse schwere Sorgen. Für Ilses Grüsse besten Dank und wünsche ich ihnen angenehme Feiertage und Herbert recht gute Besserung. Der arme Kerl kann einem Leid tun, es muss für ihn selbst fürchterlich sein. Dass er zu den Experimenten der Ärzte kein Zutrauen hat, kann ich ihm nicht verdenken. Aber ob es so besser für ihn ist? Und Patschkens Erich hat es ja nun auch so schwer getroffen und dabei war er immer so lebenslustig und dazu noch ein eifriger Tänzer. Es wird Zeit, dass der Krieg bald sein Ende findet, denn jeder Tag bringt neues Elend und Sorge. Hier bei uns vergeht ein Tag wie der andere; momentan kommen nun die Vorbereitungen zum Weihnachtsfest. Am Sonnabend habe ich bei mir mit Hilfe von zwei Mann Scheuerfest abgehalten, aber Sonntag, Montag und Diensttag wird nichts gemacht, ausgenommen Störungen, also halt mal den Daumen. Vorhin war der Spiess hier, ich muss den Weihnachtsmann machen. Ich hab es natürlich abgelehnt, da gab er mir den dienstlichen Befehl, da kann man eben nix machen. Am Sonnabend hatte ich den Kanal mächtig voll, als ich von Apeldoorn zurückfuhr. Stockdunkel, Regen, und von unserer alten Stellung bis hierher über die Heide musste ich das Rad schieben und kam nass und zerschlagen hier an. Heute war es ja durch die Radpanne genau dasselbe Elend, nur gut, dass es wenigstens nicht regnete. Uebermorgen muss ich ja nun schon die Neujahrsbriefe schreiben. Hoffentlich trifft bald von Mutter mal wieder ein Brief ein, es ist ja bis jetzt noch kein Brief von ihr angekommen.
Zum Schluss, kleine Frau, Dir und Heidi wieder viele herzliche Grüsse und Küsse
von Deinem Dichliebenden Hans.
E.O., Weihnachten 1944
Meine liebe kleine Lenifrau!
Früher hatte man sich schon lang vorher auf das Fest gefreut, man freute sich schon im Voraus über die Geschenke, die man besorgt hatte und dann auf die Feiertage, die man schon nett zu verbringen wusste. Im Krieg freute man sich auf den Urlaub, der wohl gerade in die Festzeit oder kurz danach fiel. Alles das ist nun dieses Jahr weggefallen, aber eine grosse Sorge beherrscht wohl uns alle, wird für jeden ein Weihnachtsbrief zum Fest da sein. Und da bin ich nun einer von den Glücklichen, von Mutter und Heidi traf schon einige Tage vorher der Weihnachtsbrief ein und am Heilig Abend konnte ich mir selbst als Weihnachtsmann Dein und Mutters Päckchen bescheren. Kleine liebe Frau, für Deinen lieben Weihnachtsgruss hab recht vielen Dank; mit vieler Liebe hast Du ja das Päckchen fertig gemacht, die Kerze habe ich dann um 9 Uhr gleich mit angebrannt. Am meisten habe ich mich aber über Deine selbstentworfene Karte gefreut. Weisst Du, da musste ich gleich an den Adventskalender denken, den Du für Heidi gemacht hast. Das Gebäck schmeckt ja wirklich prächtig und hab ich schon ganz schön hineingeleuchtet, sodass mir dann bei einer Stambul ganz heimatlich ums Herz wurde und ich in grosser Sehnsucht an Euch alle denken musste. Am Freitag war ich nochmals in Arnheim, das hatte ich Dir wohl schon geschrieben; wie sich dann herausstellte, war ich der Hauptlieferant für Witzgeschenke und war es gut, dass ich so dafür gesorgt hatte, denn die Stimmung hier war ja unter den Umständen, dass an Urlaub nicht zu denken und die Post auch nicht so zahlreich eingetroffen war, etwas gedrückt. Nachmittags (am Freitag) habe ich dann einen grossen Omnibus voll Koks allein ausgeschippt, so dass ich dann am Abend groggy war. Wir sind ja hier nur noch ein kleiner Haufen und da gibt es allerhand mit anzupacken. Durch dieses Schippen wurde aber mein ganzes Programm um den Haufen geworfen, da ich am Nachmittag meine
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