Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
die spitzen Buben, kommen denn die spitzen Buben auch zu uns?” Es klang zu drollig mit ihren spitzen Buben. Ich soll Dich recht herzlich grüßen. Sie wollte Dir selber einen Brief schreiben, aber nun liegt sie ja im Bett, also das nächste Mal. Frau Kürbis hat nun auch von ihrem Mann den ersten Brief vom Juni bekommen, und war sie sehr glücklich darüber. Er ist noch in Frankreich.
Und nun will ich aber mal wieder mein Geschreibsel beenden und mich ins Bett verkriechen. Wann kriechst Du wohl wieder mit? Bleib gesund und munter, kleiner Mann, und behalt uns lieb und nimm viele liebe Grüße und Süße von
Deiner Leni und dem Kerlchen.
Viele Grüße von den Eltern.
1.BriefE.O., den 6.1. 45
Meine liebe kleine Lenifrau!
Nun habe ich von Neujahr an Tag für Tag gehofft, von Dir einen Brief zu bekommen, aber alles Warten war vergeblich und nun will ich nicht länger mit dem Schreiben warten, damit Du nun auch mal wieder Post bekommst. Ich hoffe, dass Du Weihnachten gut und ohne verdorbenen Magen überstanden hast und gut ins neue Jahr gekommen bist.Wir wollen nur wünschen, dass in Zukunft die Postverbindungen besser werden, denn das mit der Warterei ist ja weder für Dich noch für mich angenehm. Dass wir eine neue Feldpostnummer und neues Luftgaupostamt jetzt haben, habt Ihr wohl auf meinen Umschlägen gesehen. Ausserdem soll unsere Post jetzt nach Arnheim kommen, das alles sind Faktoren, durch die die Zustellung in der ersten Zeit mehr als mangelhaft ist. Ausserdem soll unsere alte Feldpostnummer eine andere Einheit bekommen haben, so dass auch noch mancher für uns bestimmte Brief erst woanders landet. Ja, kleine Frau! Darüber sind wir nun schon wieder ein Stück ins Neue Jahr gerutscht, ob es wohl besser wird wie die vergangenen? Meinen Brief nach Weihnachten hast Du doch wohl erhalten und bin ich mehr als gespannt, ob auch die drei Pakete angekommen sind und was Heidi an Heilig Abend für Augen gemacht hat. Na, das werde ich wohl aus Deinen nächsten Briefen alles erfahren. Heute habe ich nun das vierte Paket mit in Richtung Emmerich gegeben, eine andere Gelegenheit ist zur Zeit nicht zu finden und halten wir den Daumen, dass es gut bei Euch eintrifft. In der Weihnachtswoche hatten wir allerhand bis Silvester zu tun, aber ich hab wieder mal so eine Staupe, wo nichts fleckt und ich aber auch zu gar nichts Lust habe. Am letzten Tag im alten Jahre machten wir einen dreistündigen Ausmarsch über Berg und Tal, wovon ich gar nicht so begeistert war, da ich dadurch am Nachmittag grosses Revierreinigen bei mir hatte. Sonst war es sehr schön und sind wir mit einem mörderischen Appetit nach der Stellung zurückgekommen. Nachdem ich alles bei mir in Ordnung gebracht hatte, dann waschen und umziehen, war der Abend herangekommen, wo wir eigentlich bis 11 Uhr skaten wollten, was sich aber dann zerschlug. Darüber war ich nun gerade nicht böse und so habe ich mich auf meine Bude zurückgezogen; ich hatte eine grosse Kanne mit Tee mit Arrak, meine halbe Flasche Rotwein und eine halbe Flasche ‘Geneverlikör’, dazu das Buch ‘Jud Süss’ (von Lion Feuchtwanger, einem Juden und vor 33 geschrieben) und das Radio. Erst habe ich mir den zweiten Akt von der ‘Fledermaus’ angehört, dann abwechselnd gelesen und vor mich hingedöst und dem Tee und dem Rest Eures und meines Gebäckes zugesprochen und habe ich dabei viel an Euch zu Hause gedacht. (Vielleicht habt Ihr auch gerade die ‘Fledermaus’ mitgehört?) Gelangweilt habe ich mich nicht und die Zeit war rum wie nichts, als auf einmal so kurz vor ¾ 12 Uhr der U.v.D. kam und meldete, dass die Kompanie 10 vor 12 zu stehen habe zwecks Gratulation des Chefs. Das ging mir ja sehr gegen den Strich, aber ein Drücken konnte ich nicht riskieren. Aber der Chef machte es kurz und so drei Minuten nach 12 Uhr war ich wieder auf meiner Bude, unter dem Bäumchen auf meinem kleinen Tischchen stand Dein und Heidis Bild, und die Bilder von den Eltern und das erste Glas Rotwein habe ich auf Dein Wohlergehen getrunken und mit dem Wunsch, dass Du immer recht gesund bleiben mögest, mich immer recht lieb behältst und dass es nicht mehr so lange dauert, bis wir wieder für immer zusammen sein können. Dann habe ich mit Euch Allen auf das neue Jahr angestossen und wollen optimistisch hoffen, dass es das Jahr sei, wo endlich der Frieden seinen Einzug hält. Erst hatte ich mir ja vorgenommen, mir mit Hilfe meines Geneverliköres einen anzutrinken, aber der Rotwein in Ruhe
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