Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
gefahren und habe Mutti besucht. Sie hat sich sehr gefreut, und haben wir bei Kunads draußen im Garten gesessen. Dabei haben wir ein ganzes Brötchen verfuttert, Heidi und ich. Die Hühner waren so zahm, daß sie bei Heidi und mir auf dem Schoß gesessen haben und uns aus der Hand gefressen haben. Das hat uns beiden natürlich großen Spaß gemacht. Am Abend habe ich erst mit Mutter Spinat für heute geputzt, und dann unsere Koffer ausgepackt. Heute war mal ein Wundertag, den ganzen Tag ist kein feindlicher Flieger eingeflogen. Ob die was auf dem Kieker haben? Früh habe ich gewaschen, dann Heidis Fischkarte auf dem Ernährungsamt geholt, und am Nachmittag war ich mit Heidi mal auf dem Spielplatz. Da gehe ich aber nicht wieder hin. Erstens stehen keine Bänke mehr da. Die Wiese ist verpachtet und darf man nicht drauf, und die Kinder im Sandkasten sind so ungezogen. Da soll sie lieber hier unten im Garten mit Wowo und Karin spielen, und am nachmittag gehen wir in den Park. Heidi will jetzt immer nutschen und neuerdings auch gurgeln. Ulkig klingt das. Du mußt sehen, daß Du bald eine Dienstreise nach Leipzig bekommst. Kann man da nicht nachhelfen?
Sonst ist uns die Kur gut bekommen. Mutter hat zwei Pfund und 100 Gramm zugenommen. Vater ist gleich geblieben und ich habe vier Pfund abgenommen. Ist aber durch die Kur verständlich. Dafür bin ich aber ganz schön braun.
Und nun will ich aber für heute mal schließen. Hoffentlich muß ich nicht gar so lange warten, bis der Brief aus Elster zurückkommt. Dir nun 1000 liebe Grüße und Süße und mal drücken von
Deiner Leni und Heidi.
Gruß von allen.
E.O., den 4.6. 1944
Meine liebe kleine Lenifrau!
Nun habe ich Deine lieben Briefe vom 27.5. und 1.6. vor mir liegen und danke ich Dir dafür recht schön. Ersterer kam gestern, hatte also sieben Tage gebraucht und den anderen bekam ich heute Mittag. Jetzt ist es ½ 3 Uhr, die Parole ist vorbei und kann ich nun in Ruhe an die Beantwortung herangehen. Zigaretten hab ich auch noch drei Stück und Tabak für vier, da fleckt die Schreiberei nochmal so gut. Die zwei Geburtstage habt Ihr ja nun hinter Euch und glaube ich, dass ich auch so viel an Euch wie Ihr an mich gedacht habt; zumal ich mir ja vorgenommen hatte, wenigstens zu Deinem Geburtstag zuhause zu sein, was ja durch die Urlaubssperre ins Wasser gefallen ist. Für Heidi hast Du ja den Zeiten entsprechend allerhand zusammengetragen und wird sie sich sicherlich über alles sehr gefreut haben. Hat denn Vater nochmals die Kuchenmarken umtauschen können, damit Ihr auch genügend Marken zum Kuchenessen hattet? Mit dem Wetter hattet Ihr es wahrscheinlich schlechter als wir; allerdings ist es jetzt hier seit Donnerstag auch nicht so berühmt, aber für die Butterpreise günstig, da die Weiden hier wegen des Sandbodens viel Nässe gebrauchen. Hat Euch der Geburtstagskuchen noch gut gemundet, denn ganz so schlecht scheint es in Elster noch nicht zu sein. Hat denn Erika wieder mal was von sich hören lassen, seitdem Ungarn sich so aktiv am Krieg beteiligt? Zu dem Konzert wurden ja lauter schöne Sachen gespielt, die man immer wieder gerne hört. Leider habe ich hier für den Dresdner Kreuzchor keine Karte mehr bekommen, was sehr bedauerlich war, da das Konzert wirklich fabelhaft gewesen sein soll. Na, es wird auch bei mir wieder mal bei guter Musik mit einer Eintrittskarte klappen. Ja, kleine Frau, wegen Himmelfahrt dreht es sich auch nicht wegen der Arbeiterei, sondern darum, dass man nicht zuhause bei den Seinen sein kann, aber man hofft, dass das auch mal wieder kommen wird. Die Käsegeschichte hat sich also nun auch geklärt und Tante Anna hat den einen ganz zu recht bekommen. Mit der Wohnung haben es die Eltern sehr gut getroffen; sag mal, ist das möbliert oder leer. Hoffentlich ist der Meester und Helenchen nun wieder soweit auf dem Damm, dass sie auch einen Genuss an der neuen Wohnung haben, die bei den zur Verfügung stehenden Räumen sicherlich preiswert in der Miete sind. Allerdings haben sie nach dem Garten raus auch noch ein ganz schönes Stück, aber die Strassenbahn ist wohl dort draussen nicht mehr so voll. Mit den Tieffliegerangriffen ist es wirklich schlimm und auch hier in Holland hat es dabei schon allerhand Tote gegeben. Der Tommy unterstreicht nicht nur damit seine Luftüberlegenheit, sondern schiesst alles ab, was er erreichen und treffen kann. Du sollst mal sehen, wenn ich gerade mitten auf der Heide bin und eine Maschine kommt tief
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