Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
mir wohl in Deinem nächsten Brief ausführlicher schreiben und bis dahin Dir recht viele liebe Grüsse und Küsse und das Gleiche auch für Heidi
von Deinem Dichliebenden Hans.
Leipzig, den 1. Juni 1944
Mein lieber alter Strolch!
Nun sind wir schon wieder zwei Tage daheim, und nun will ich Dir endlich schreiben. Vater u. Mutter sind ins Theater, und Heidi im Bettchen. Es ist aber auch schon wieder 9 Uhr. Deinen lieben Brief (Pfingstbrief) bekam ich gerade noch, als wir schon abreisebereit in Bad Elster auf der Straße standen und mit ihm kam Dein eingeschriebenes Butterpäckchen. Für alles beides danke ich Dir recht herzlich. Die Butter ist ja mehr als schnell gegangen, denn sie ist ja erst nach Leipzig und von hier nach da nachgeschickt. Ich danke Dir jedenfalls sehr dafür, kleiner Mann, das Geld dafür lege ich Dir heute im Brief mit bei.
Das Bildchen war wirklich eine Ueberraschung und große Freude. Ich habe es jetzt neben mir hier liegen. Als ich es Heidi zeigte und fragte, wo der Vati sei, tippte sie ohne sich zu besinnen mit ihrem kleinen Finger auf Dich. Hier sind alle überrascht, wie sich unser Kerlchen entwickelt hat, und wie groß sie geworden ist. Sie hält jetzt ziemlich oft große Reden. Deinen Brief, den Du hierher geschickt hast, habe ich noch nicht bekommen, Vater hat das auf der Post vermärt, und ist der Brief wieder nach Elster geschickt. Die Briefträgerin sagte es mir heute, und kommt nun aber alles wieder nach hier. Die Butter ist ja jetzt sehr billig, wie kommt denn das? Mit der Dienstreise ist es ja wirklich Pech. Warum bist Du denn nicht gefahren, da wäre ich doch ein paar Tage früher zurückgekommen, und hätten wir wieder mal paar schöne Stunden gehabt. Mit unserer Rückfahrt war es verheerend, und sind wir mehr tot als lebendig wieder zu Hause angekommen. Du wirst ja gehört haben, daß Leipzig am zweiten Feiertag wieder einen Angriff über sich ergehen lassen mußte, und auch am ersten Feiertag war die Umgebung von Leipzig dran. Es sind in der Hauptsache wieder Betriebe zerschlagen, Erla vollständig erledigt, so daß sie nicht wieder anfangen können, .... mitteldeutsche Motorenwerke, Leuna u.a. Elisabethkrankenhaus und Straßen in Eutritsch. Auch in unserem Gartenverein in Liebertwolkwitz sind fünf Phosphorkanister runtergefallen. Die Verbindung Leipzig-Berlin war kaputt, sodaß kein Schnellzug von München oder Hof über Leipzig fuhr. Wurden alle über Dresden oder Riesa geleitet. Wir saßen dadurch über drei Stunden in Plauen auf dem Bahnhof, und mußten um drei Uhr schließlich mit dem Personenzug fahren. Auch in Elster kam gerade Alarm, als wir in den Omnibus stiegen. Das Gewühle kannst Du Dir nicht denken, und katastrophal war es dann beim Personenzug. Alle die, die sonst mit dem Schnellzug gefahren wären, stürzten sich nun auf den Personenzug. Mutter und ich hatten einen Platz im Verwundetenabteil. Im Gang standen mindestens um 20 Personen, sogar der Lokus war überfüllt. Dazu war es eine Wärme, die nicht zum Aushalten war. Schlimmer als seinerzeit nach Koserow, und war es nur dadurch zum Aushalten, daß wir auf jeder Station beide Abteiltüren öffneten, damit frische Luft reinkam. Dazu einen schlimmen Durst und wollte auch Heidi immer ‘Schnaps’ trinken. Sie meint natürlich Wasser. Um 8 Uhr waren wir glücklich am Hauptbahnhof. Hier haußen an der Straßenbahn kam uns Papa entgegen, er war schon ein paar mal an der Bahn gewesen. Wir hatten jeder einen schönen Strauß Flieder stehen, auch Heidi, und außerdem hatte Mutti ihrem Heidikind einen Rührkuchen hingestellt. Papa selber ging es gar nicht gut, er war doch 14 Tage auf einem Rittergut in Thüringen gewesen, und da gab es immer nur Bratkartoffeln und Kartoffelsalat, und das kann Papa nicht vertragen, und hat er es wieder mit dem Magen gekriegt und kam ziemlich elend hier an. Mutti selber war auch nicht da, war auch krank und lag im Bett. Muß sehr schlimm gewesen sein, denn sie war nicht mehr in der Lage, die Augen aufzumachen vor Schwäche. Vom Arzt hat sie dann Opium bekommen, und das hat sie dann halbwegs wieder auf die Beine gebracht. Die ganzen Umstände sind eben zum Kotzen. Am Dienstag Abend war es dann ziemlich spät als wir fertig waren, sodaß ich da nicht mehr schreiben konnte. Gestern sind unsere Koffer gekommen, früh habe ich erst mal mein Rad vom Hauptdreck befreit, Heidis Sitz angemacht, dann kam Alarm, aber nicht lange. Nach Tisch bin ich mit Heidi nach Holzhausen
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