Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod
Perücken und zwei silberne Aluschalen. Niemand konnte sich vorstellen, was das zu bedeuten hatte.
Nele betrat die Garage als erste, die anderen folgten ihr. Es gab eine Verbindungstür zum Haus. Während Nele sicherte, probierte Holger die Klinke aus. Die Tür ließ sich öffnen. Holger betrat den Gang zuerst, dann folgten ihm Nele, Dag und Tanja.
Nach wenigen Schritten erreichten sie die Küche.
»Großer Gott!«, entfuhr es Tanja Schildknecht.
Der Anblick war entsetzlich.
Auf dem Boden, der Spüle, der Arbeitsfläche, dem Tisch – überall Blut. Ein paar Spritzer reichten sogar bis an die Wand.
»Ich hab’s gewusst«, sagte Tanja mit zitternder Stimme. »Ich hätte sie in Sicherheit bringen müssen.«
Dag schüttelte den Kopf und presste sich zum Zeichen, dass sie still sein sollte, den Zeigefinger gegen die Lippen.
Nele betrat den Flur. Sofort sah sie den blutigen Handabdruck an der weißen Wand neben der Treppe. Wortlos bedeutete sie Holger und Dag, dass sie das Obergeschoss durchsuchen sollten, während sie selbst ins Wohnzimmer ging.
Auch dort erwartete sie ein schlimmer Anblick. Der mitten im Raum stehende Sessel war verrückt und hatte den Teppich in Wellen vor sich her geschoben. Eine Standleuchte lag auf dem Boden. Im Bereich vor der Tür war der helle Teppich mit Blut besudelt. Außerdem lag ein großes Messer direkt neben der Tür.
Nach ein paar Minuten kamen Dag Hendrik und Holger Sälzle aus dem Obergeschoss zurück.
»Niemand da«, sagte Dag.
»Hier unten auch nicht«, antwortete Nele. »Wir sind zu spät gekommen … Wieder einmal.«
Aus dem Flurfenster fiel ihr Blick nach draußen. Was sie dort sah, ließ sofort ihre Wut hochkochen.
»Verdammt noch mal«, stieß sie aus, riss die Haustür auf und trat hinaus.
»Ich hatte Ihnen gesagt, Sie sollen im Wagen bleiben!«, rief sie mit vor Wut bebender Stimme.
Alexander Seitz befand sich vor der Garage. Er kam eben aus der Hocke hoch und hielt einen der Plastikköpfe am weißen Schopf gepackt ins Licht.
»Wir sind hier richtig«, sagte er.
Dann klingelte Tanja Schildknechts Handy.
Dafür werden wieder die anderen büßen.
Mit dem Messer an ihrer Kehle und seinem Atem im Nacken hatte Nicola den Satz nicht verstanden, und es war ihr auch egal gewesen, was er damit meinte. Doch plötzlich hatte er ihr Haar losgelassen, und ihr Kopf war auf den Boden geknallt. Im Vorbeigehen hatte er ihr noch einen heftigen Tritt in die Rippen verpasst – noch mehr Schmerzen, die sich mühelos einreihten in die Riege der anderen.
Aber sie lebte.
Und plötzlich spielte der Satz doch eine Rolle.
Benommen auf dem Boden liegend, hatte Nicola gehört, wie ihr Mann in der Küche Wasser ins Spülbecken laufen ließ, Schubladen öffnete und wieder zuwarf und laut fluchte. Sie hatte sich vorgestellt, wie er seine Stichwunde versorgte, und immer noch damit gerechnet, dass er zurückkommen und sie töten würde. Erst als die Haustür ins Schloss gefallen war, hatte sie verstanden, dass er es nicht tun wollte oder konnte. Mit dem letzten bisschen Kraft und angetrieben durch seine Worte war sie aufgestanden. Ihr Rücken fühlte sich an, als hätte er das Messer dort hineingejagt, ihr Bauch war ein einziger schmerzhafter Krampf gewesen, trotzdem hatte sie sich aus dem Wohnzimmer über den Flur in die Küche geschleppt und auf den Hof hinausgeschaut.
Er hatte den fremden schwarzen Wagen rückwärts vors Garagentor gesetzt und war gerade mit den letzten beiden Kunststoffkanistern daraus hervorgekommen. Durch die Gardine verborgen hatte Nicola ihn dabei beobachtet, wie er den Kofferraum öffnete und die Kanister hineinwuchtete.
Und diesmal versuchte sie gar nicht erst, sich einzureden, sie hätte sich getäuscht.
Nein. Die Füße, die unter der grauen Wolldecke herausschauten, waren real.
Jemand lag im Kofferraum.
Dann hatte er die Klappe zugeschlagen, war nochmal zurück in die Garage geeilt, um einen großen Karton zu holen, und hatte ihn auf dem Rücksitz verstaut.
Nicola hatte sich ihre Jacke übergeworfen, den Schlüssel genommen, gewartet, bis er vom Hof gerollt war, sich dann in ihren eigenen Wagen gesetzt und war ihm hinterhergefahren.
Jetzt verfolgte sie ihn bereits seit zehn Minuten.
Er war quer durch die Stadt gefahren, hatte sie in südlicher Richtung verlassen und war in die weite Schneelandschaft des offenen Landes eingetaucht. Wegen der Straßenverhältnisse fuhr er nicht allzu schnell, sodass es für Nicola kein Problem war, ihm mit großem
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