Bleiernes Schweigen
wir, ein paar Monate später haben wir erfahren, dass einer dieser Minister kaum noch das Haus verlässt und seine Eskorte verdreifacht hat, und wir haben herzlich gelacht.«
»Wie bitte?«
»Dottore, verhandelte er mit uns, hatte er nichts zu befürchten. Verarschte er uns, änderte das alles. Aber wir waren noch immer davon überzeugt, dass er reden wollte.«
»In Ordnung, in Ordnung. Also, die Carabinieri suchen den Kontakt, damit ihr aufhört. Und Sie glauben, das sei nur ein Trick gewesen, um Zeit zu gewinnen.«
»Das war möglich, ja. Die hatten den Arsch auf Grundeis.«
»Und trotzdem habt ihr ihnen zugehört.«
»Dottore, Riina hatte beschlossen, einen uralten Pakt aufzulösen. Wir suchten nach neuen Bezugspersonen. Zuhören war also allen nützlich.«
»Und ihr macht eure Vorschläge, um aufzuhören. Welche?«
»Keine Ahnung.«
»Keine Ahnung? Sie haben nichts davon mitgekriegt?«
»Die Probleme sind immer die gleichen.«
Daniele wird laut.
»Vitale, zum Henker noch mal!«
»Es gab den Maxi-Prozess zu klären. Das Problem mit dem Gesetz zur Beschlagnahmung von Vermögenswerten. Die Festnahme auf frischer Tat. Die Sache mit den Kronzeugen. Das waren die Vorschläge. Vorher.«
»Vorher?«
»Bevor sie Borsellino umbringen, Dottore. Danach ändern sich die Dinge.«
Daniele schlägt sein Notizbuch auf. Er sucht nach Baldaccis Worten. War Dottor Borsellinos Tod ein schlechtes Geschäft oder eine sichere Rücklage für die Zukunft?
Schweigend starrt er auf die Seite.
Er wiederholt die Frage und sieht auf. Der Cosa-Nostra-Mann lächelt gedankenverloren und antwortet nicht.
»Gibt’s ein Problem, Vitale?«
Der Mafioso sieht weg.
»Als Kind bekam ich gerne Geschichten erzählt. Meine Mutter war gut darin. Die Odyssee mochte ich besonders. All diese Reisen und Wesen, eine Welt mit genauen Regeln, die einen zum Menschen machten. Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich ausdrücke. Und die Götter, die einen im Blick haben und die man bei Laune halten muss. In der Geschichte, die Sie hören wollen, Dottore, muss ein Opfer für den Frieden gebracht werden. Totò Riina.«
Er schweigt und sieht Daniele prüfend an, der ungerührt dasitzt und wartet, das aufgeschlagene Notizbuch auf den Knien, den Stift in der Hand. Eine mühevolle Maskerade.
Vitales Befragung ist ein Rollenspiel mit strengen Regeln. Um zu bekommen, was man will, muss man sie eisern befolgen.
»Ich versuche es mal zusammenzufassen«, sagt er, »und Sie korrigieren mich, wenn nötig. In Ordnung, Vitale? Die Cosa Nostra verliert ihre politischen Bezugsleute und muss neue finden, um sich an den alten zu rächen. Die Rache erfolgt nach Riinas Methode, wenn Sie mir diese Vereinfachung erlauben. Alle müssen sterben, lautet der Beschluss. Und somit ist Falcone dran, der offenbar durchschaut hat, wie der Hase läuft. Zugleich wird nach neuen politischen Kontakten gesucht. Irgendwie will sich die Cosa Nostra wohl selbstständig machen. Aus unternehmerischer Sicht eine astreine Idee. Jemand, so sagten Sie, hat euch in den Arsch gefickt und ihr traut niemandem mehr. Also versucht ihr, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, lasst euch von den Freimaurern helfen, und unterdessen versucht der Staat mit euch in Kontakt zu treten. Da merkt ihr, das die Lage sehr zu euren Gunsten ist. Riina stellt seine Bedingungen. Die, so nehme ich an, zurückgewiesen werden.«
»Ja, so ist es.«
»Schön. Aus dem, was Sie mir von diesen Forderungen angedeutet haben, wird deutlich, dass sie inakzeptabel waren. Doch dann stirbt Borsellino, und Sie sagen, Riina wird für einen neuen Frieden geopfert. Also kommt der Pakt am Ende doch zustande. Und genau hier liegt das Problem, Vitale. Nach dem Attentat von Capaci und der Ablehnung der Bedingungen passiert was? Sie haben von zwei Verhandlungen gesprochen.«
»Sie machen es sich zu einfach, Dottore. Wissen Sie noch, was Dottor Borsellino kurz vor seinem Tod sagt? Was er über Riina und Provenzano sagt?«
»Das sie ihre Muskeln spielen lassen, um zu testen, wer der Stärkere ist.«
»So ist es. Und genau das ist passiert. Ich weiß nicht, wie Dottor Borsellino darauf gekommen ist. Er war ein intelligenter Mann, er wird’s gerochen haben, was weiß ich. Aber so war es. Denn wissen Sie, so, wie Riina seine Ideen und seine Kontakte hatte, hatte auch Provenzano seine Ideen und Kontakte.«
»Und Borsellinos Tod war für alle notwendig.«
»Genau, für alle.«
»Weil er begriffen hatte.«
»Man hätte keinen Pakt
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