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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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einen Cosa-Nostra-Mann, der mit der Justiz zusammenarbeitet, Bartolomeo Ferro. Falcone trifft ihn Ende Dezember 1991. Ferro sitzt im Knast, hat zwanzig Jahre auf dem Buckel und beschließt auszupacken. Er nennt ihm die Namen zweier hochgestellter Politiker. Einer ist Michele Giordano, der andere ein Staatsanwalt aus Palermo. Weil Falcone nicht ermitteln kann, kann er auch nichts zu Protokoll geben oder sich um Ferro kümmern. Der Cosa-Nostra-Mann will aber jemanden, dem er trauen kann, damit er den Mund aufmacht. Drei Tage vor dem Attentat in der Via d’Amelio erzählt er Paolo Borsellino das Ganze noch mal. Zu dem Zeitpunkt redet der Pentito Lamantia von Davide Mirri, von den Freimaurern, von Riinas Geld, das in der Anonima Cementi steckt, von den Semprinis.«
    Er macht eine Pause, rollt zum Tisch und trinkt noch ein Glas Tee.
    »Ehe Giuseppe geht, sagte er uns, dass es gerade sehr, sehr schwierig werde. Er sei immer fester überzeugt, dass die Curatolo-Spur ein Bluff sei. Von vorne bis hinten. Dass man einen Sündenbock suche, um einen Haken hinter die Sache zu machen und die Aufmerksamkeit zu zerstreuen. Seit sie an Ferros Aussage und die Telefonate des Geheimdienstes gekommen seien, sei die Luft dick geworden. ›Ich weiß nicht, ob wir uns so bald wiedersehen‹, sagt er.«
    »Und wann hat er sich wieder gemeldet?«
    Adriano lächelt flüchtig.
    »Was mich angeht, so habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
    »Was dich angeht?«
    »Ja.«
    Ich warte, dass er mit seiner Antwort rausrückt, aber er sieht mich nur an. Zu lange.
    »Diesmal verstanden wir ihn nicht. Wir hatten den Eindruck, er wollte uns von der Hauptsache abbringen, nämlich zu verstehen, was in der Via d’Amelio geschehen war, wer der Mittelsmann zwischen dem Geheimdienst und der Cosa Nostra war, was für eine Verbindung es dort gab und weshalb. Ein schwerer Fehler, wie uns Anfang Dezember klar wird, als der palermische Staatsanwalt, von dem Ferro geredet hatte, sich umbringt. Der Grund dafür hätten die Gerüchte um Ferros Protokolle sein können, doch dem ist nicht so, wie sich herausstellt.«
    »Und noch immer fehlt Solara.«
    Adriano nickt und lächelt.
    »Wir haben damals das Gleiche gedacht. Wir haben uns nur auf die Farben konzentriert, während Giuseppe ein Bild gemalt hat.«
    Er leert das Glas in einem Schluck und sieht mich an, als müsste er sich für etwas entschuldigen.
    »Solara gibt es nicht«, fährt er fort. »Ich hab’s dir gesagt. Er ist eine Erfindung. Ich glaube, meine, aber sie könnte genauso gut von Elena stammen. Wir hatten es auf die Anrufe abgesehen. Wer hat Giordanos Freund auf dem Boot angerufen? Wieso ruft Giordano sofort beim Sitz des Verfassungsschutzes in Palermo an? Wer hebt ab? Wir waren überzeugt, man müsse ganz unten anfangen, Stufe für Stufe, um zu verstehen, was dahintersteckt. Und diese Leute waren in Palermo, arbeiteten fürs CERISDI oder den SISDE, sie waren dort. Ein Ort, eine Zeit, ein Raum. Das war fassbarer. Dachten wir zumindest. Mit der Zeit haben wir den beiden geheimnisvollen Anrufern einen Namen gegeben. Eine Weile haben wir geglaubt, es wäre derselbe, also gab es nur einen Namen. Ich weiß nicht genau wieso, aber wir haben ihn Ignazio Solara genannt.«
    »Und ihr habt nicht …«
    Er antwortet, ehe ich ausreden kann. Sein Ton lässt keine Widerrede zu.
    »Nein. Wir haben nie eine Ahnung gehabt, wer es sein könnte. Nicht die leiseste.«
    Wir verfallen in ein unerträglich langes Schweigen.
    Ich lasse den Blick durchs Zimmer wandern. Der Fernseher, der Boden, die Decke, ein Foto meiner Mutter auf dem Bücherregal, alles ist recht, damit ich meinem Vater nicht ins Gesicht sehen muss, nicht daran denken muss, was gerade passiert, der langen, gewundenen Erzählung nicht folgen muss, die mir wie eine Pauschalreise in den innersten Höllenkreis vorkommt.
    Resigniert breche ich das Schweigen.
    »Ich hatte nie gewusst, dass …«
    »Das war Teil der Abmachung.«
    Ich setze mich auf und sehe ihn an.
    »Der Abmachung?«
    »Wir durften niemandem etwas sagen. Das haben wir sofort nach unserem ersten Treffen mit Giuseppe beschlossen.«
    »Niemandem, na klar.«
    Adriano wird laut.
    »Niemandem, ganz genau. Niemandem. Und sag mir jetzt nicht, du seiest kein Niemand, denn du bist längst kein kleiner Junge mehr und blöd bist du auch nicht. Wir mussten schweigen, bis wir die Sache durchschaut hatten. Es gab keine andere Möglichkeit.« Er sieht weg, senkt die Stimme. »Und wir hatten Angst.«
    Ich stehe auf. Ich

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