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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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nötig befunden haben, ihn zu verfolgen und die Sache zu Ende zu bringen. Er hat ein übel zugerichtetes Bein, wäre um ein Haar verblutet und eine Kugel hat ihm fast die Lunge zerfetzt. Ein Wahnsinnsdusel, wenn man bedenkt, dass eine Kugel nur einen knappen Zentimeter neben seiner Schläfe durch die Kopfstütze gesaust ist. Er sollte nicht sterben.«
    »Sieht ganz so aus. Hast du mit ihm gesprochen?«
    »Ein sinnloser Versuch. Er ist bis obenhin mit Medikamenten vollgestopft, damit er wieder auf die Beine kommt. Es braucht noch eine Woche. Aber eines hat er gesagt.« Er macht eine Pause. »Solara.«
    Ich lächele schmal. »Machst du Witze?«
    »Sehe ich so aus? Sie haben versucht, ihn vor der OP zu befragen. Immerhin hätte er hopsgehen können, und einen Versuch war es wert. Er kennt seine Angreifer nicht. Angeblich. Aber als ich heute bei ihm war, hatte er die Augen offen, er hat mich angesehen, eine Art Lächeln gezeigt und versucht zu sprechen. Ich musste mich zu ihm hinunterbeugen, nur vier Worte habe ich verstanden: ›Rette Leben sage Solara.‹ Was das heißen soll, muss ich dir nicht erklären, oder?«
    »Reale hat also keinen Scheiß erzählt.«
    »Offenbar nicht. Jetzt muss man nur noch herausfinden, ob sie unserem Patienten Scheiß erzählt haben. Oder dir.«
    Ich warte. Sehe ihn an. Und sage das Einzige, das mir sinnvoll erscheint.
    »Lass mich mit ihm sprechen.«
    Daniele lacht mir ins Gesicht.
    »Mit Graffeo? Nicht im Traum.«
    Ich mache einen Schritt auf ihn zu. Irgendwo am Ende des Kellergangs fängt eine Lampe zu flackern an. Ich senke die Stimme.
    »Vor ein paar Tagen hat Arianna mich angerufen. Ich habe sie getroffen.«
    Daniele legt mir die Hand auf die Schulter.
    »Was für ein verdammtes Spiel spielst du eigentlich? Na?«
    Eine gefühlte Ewigkeit steht er so da. Dann lässt er mich los und dreht mit den Rücken zu.
    »Was hat sie dir gesagt?«
    Während ich rede, hält er den Kopf gesenkt.
    »Hast du Anzeige erstattet?«
    »Am nächsten Morgen. Ohne das fehlende Nummernschild zu erwähnen.«
    Er nickt.
    »Wenn es denn hilft«, murmelt er.
    Ich schweige. Nicke in die Richtung, aus der wir gekommen sind.
    »Lass mich mit ihm sprechen.«
    Er hört mir nicht zu. Er verschränkt die Arme vor der Brust und sieht mich endlich an.
    »Apropos Solara, ist dir mal der Gedanke gekommen, dass dein Vater lügen könnte?«
    Die Schnelligkeit meiner Antwort überrascht mich. Sie war immer da und hat nur darauf gewartet, bemerkt zu werden.
    »Ja.«
    Wir schweigen. Die Männer der Eskorte an beiden Enden des Tunnels. Das Prasseln des Regens irgendwo. Daniele versucht zu lächeln.
    »Graffeo ist jetzt erstmal eine Woche lang total weggetreten. Lass uns die Woche abwarten. Rede mit deinem Vater.«
    Ich nicke.
    »Und du?«
    Er setzt sich wieder in Bewegung.
    »Die Geschichte dieser Arianna interessiert mich. Sehr sogar. Ich gehe der Sache nach.«
    »Ich meine die Unterlagen von El…«
    »Ich weiß, was du meintest. Wie gesagt, warten wir diese Woche ab, okay?«
    Stumm gehe ich neben ihm her. Draußen hat der Regen aufgehört.
    »Ich weiß, was du denkst. Und ich tue nicht so, als hätte ich es vergessen.«
    Als wir neben dem gepanzerten Auto stehen, suche ich nach einer Antwort. Dann drücke ich ihm die Hand.
    »In einer Woche, Daniele«, sage ich. »Und dann sagst du mir auch, was du denkst.«
     
    Es vergehen elf Tage, und ausnahmsweise hat der Wetterbericht ins Schwarze getroffen. Sechsunddreißig Stunden Dauerregen. Grauer Himmel, Frühnebel und das Gefühl, die Wirklichkeit durch das Fenster einer Sauna zu sehen.
    Eine Dunstblase, in der ich mich fast wohlfühle, stets auf der Kippe zwischen umkehren und alles sein lassen und mich von hoch oben in die Suche nach etwas stürzen, von dem ich nicht weiß, ob es stark genug ist, mich aufzufangen.
    In jenen Tagen schaffe ich es sogar, mit so etwas wie einem neuen Jugendroman anzufangen. Mein Verleger will Fantasy, aber ich habe nicht die geringste Absicht, seinem Wunsch nachzukommen. Drachen kotzen mich an, und meiner talibanischen Weltsicht nach hat Tolkien bereits alles gesagt, was dazu zu sagen ist. Doch die kleine Geschichte, an die ich denke, könnte sich ebenso gut verkaufen. Also mache ich mir sehr nebenbei ein paar Notizen.
    Doch die meiste Zeit verbringe ich damit, Elenas Unterlagen zu ordnen. Ich mache mir Stichpunkte zu dem, was ich nicht verstehe, lese Urteile, wühle in Zeitungsarchiven nach Artikeln über bestimmte Personen und erstelle eine riesige

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