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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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den Gang. Er macht es so schnell wie möglich und versucht, die Augen offenzuhalten.
    Er überquert die Kreuzung. Die Straße ist ihm fremd, dann sieht er das Schild eines Restaurants. Er versucht, sich rechts zu halten. Einer der Reifen will nicht auf der Straße bleiben, krächzend und eiernd zieht er den Wagen in die falsche Richtung.
    Das Glück hilft ihm, es hat sich vor einer Weile neben ihn gesetzt, und das Einzige, was er sich noch fragen kann, ist, wann es ihn wieder verlässt. Ob es lang genug bleibt. Ob das, was er gerade erlebt, ein Scherz ist, der letzte. Oder ein Geschenk. Das x-te.
    Er schließt die Augen. Sie wollen sich nicht wieder öffnen. Der Mann versucht es mit der Kraft seines gesamten Körpers, die verdammten Lider öffnen sich kaum, er liest das Schild. Rot. Groß. Stopp.
    Er bremst. Ganz plötzlich. Das Auto säuft ab.
    Er atmet. Damit das Leben ihn nicht allzu schnell verlässt.
    Er streckt die Hand aus, dreht den Schlüssel, tritt aufs Gas, legt den Gang ein.
    Einmal. Zweimal.
    Dann kommt die Nacht und verschluckt alles.
     
    »Ein ganz beschissener Spielerkauf«, sagt der Sanitäter.
    Der Satz bleibt ihm im Halse stecken. Das Auto kommt aus einer Seitenstraße
    »Wo glotzt du denn hin?«
    Der Sanitäter sagt nichts. Der Pfleger hat gerade Feierabend gemacht, er raucht eine, und statt einer Antwort erhält er nur ein Kopfnicken. Es deutet auf die andere Straßenseite jenseits der Kreuzung, kurz hinter der Ampel.
    Ein schwarzer Mercedes.
    Die Windschutzscheibe ist zerborsten.
    Die Beifahrertür steht offen und baumelt ins Leere wie ein gebrochener Flügel. Als das Auto beschleunigt, schleudert es nach links. Mindestens ein Reifen ist platt und die Seite völlig eingedrückt, als wäre etwas mit Wucht hineingedonnert.
    »Was …«
    Mehr als diese drei Buchstaben bringt der Pfleger nicht heraus.
    Der Mercedes korrigiert die Fahrtrichtung, die verzogenen Felgen kratzen funkensprühend über den Asphalt. Er beschleunigt ganz plötzlich, überquert die Kreuzung, ein Moped kann ihm um ein Haar ausweichen, doch er fährt weiter.
    Und weiter.
    »Weg!«, brüllt der Sanitäter.
    Dann trifft das Auto den Rettungswagen und landet in der Mauer der Notaufnahme. Ohne die winzigste Bremsspur.
     
    Auf dem Treppenabsatz vor dem Eingang zur HNO-Station ist es leer und still. Sie zu finden war einfach, im Kliniklabyrinth aus Schildern, Abkürzungen und Gebäuden hat alles seine Farbe. Wenn man weiß, was man sucht, muss man nur den Strichen auf dem Boden folgen.
    Daniele lässt mich fast eine Stunde warten. Ich blättere durch eine Zeitung, ohne sie wirklich zu lesen. Ich schicke Giulia eine SMS und lese ihre hastige Antwort. Ich blicke durch die Treppenhausscheiben in den dichten, steten Regen, der eingesetzt hat, als ich hier angekommen bin. Drei Tage soll es regnen, habe ich im Autoradio gehört. Danach kamen die üblichen Nachrichten über die Schäden, die die zigste Schlechtwetterfront in der Landwirtschaft anrichtet.
    Es passiert nichts in der Welt. Es passiert nichts hier.
    Nichts, das sich erzählen ließe.
    »Entschuldige die Verspätung.«
    Überrascht drehe ich mich um. Er steht wenige Meter vor mir, zwei Leute vom Begleitschutz neben sich, ein dritter auf der Treppe. Ich nicke ihnen grüßend zu und drücke Daniele die Hand.
    »Wo sollen wir …«
    Er sieht auf die Uhr.
    »Komm mit.«
    Wir betreten die Station. Am Ende des Flurs ist ein Notausgang, der zu einer Treppe führt. Ein Beamter der Eskorte öffnet ihn, eine Krankenschwester wirft ihm einen fragenden Blick zu. Einen Augenblick später steigen wir die Treppe hinunter. Und er beginnt zu reden.
    »Offenbar will irgendjemand einen Schlussstrich ziehen. Zwar leite ich die Ermittlungen nicht, bin aber mit einer Untersuchung zu Graffeos Drogengeschäften befasst. Vor fast einem Jahr habe ich ihn verhört und jetzt nochmal um seine Vernehmung gebeten. Mehr kann ich dir im Moment nicht sagen.«
    »Dann ist dieser Spaziergang durch den Krankenhauskeller ein Höflichkeitsbesuch.«
    »Nicht ganz.« Er bleibt in einem schlecht beleuchteten Tunnel stehen. »Auf Domenico Graffeo ist sechsmal geschossen worden. Zuerst sind sie ihm mit einer ziemlich fetten Kiste, einem SUV womöglich, in seinen Mercedes gefahren. Dann sind sie mit gezückten Pistolen aus einem anderen Auto gesprungen. Graffeo hat zurückgeschossen, und das hat ihm vermutlich das Leben gerettet. Das und die Tatsache, dass sein Auto nicht abgesoffen ist und seine Angreifer es nicht für

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