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Bleischwer

Bleischwer

Titel: Bleischwer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Wünsche
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den Vorhang am Fenster zur
Seite. Fast hätte sie laut aufgelacht. Natürlich, genauso war es. Ganz links
konnte sie einen Schneehaufen ausmachen, dort, wo das Dach des Anbaus endete.
    Jule
atmete tief ein und aus und kuschelte sich zurück in die mollig warme
Bettdecke. Eins mit sich und der Welt fiel sie in tiefen Schlaf.
     
    Samstagmorgen, 9.00 Uhr. Helle
Aufregung herrschte in dem Holzhaus, das Rezeption und Laden beherbergte.
    Es gab
nur ein Thema, die Nachrichten verkündeten es geifernd: Der VW Golf mit
Euskirchener Kennzeichen, den Stefan Winter vorgestern gestohlen hatte, war am
frühen Morgen an der Landstraße kurz vor dem Ortseingang von Steinbach gefunden
worden. Versteckt zwischen Gebüsch und Kieferngehölz.
    Von dem
Ausbrecher fehlte allerdings jede Spur. Aber dass er sich in der unmittelbaren
Umgebung aufhalten musste, war klar. Die Polizei hatte das Tal nach allen
Seiten abgeriegelt. Man durchkämmte Dorf und Wälder.
    »Am
besten erschießen die ihn, wenn sie ihn sehen«, ereiferte sich eine dicke
Mittdreißigerin, die gestern mit Mann und Kindern eins der Mobilheime bezogen
hatte. »Je schneller er unschädlich gemacht wird, desto besser! So lange dieser
Mörder frei rumläuft, kann man sich doch seines Lebens nicht sicher sein!«
    Heftig
raschelte sie mit der Papiertüte voller Schokocroissants, die Gerti ihr eben
abgepackt hatte.
    »Durch
diese Großfahndung werden unsere Steuergelder verschleudert«, bekräftigte Rudi
Bossmann, ein rüstiger Rentner, dessen Dauerstellplatz sich nicht weit von
Jules befand. Vor zwei Jahren war seine Frau gestorben. Seitdem kam er allein
her. »Ich denke auch, man sollte mit so einem kurzen Prozess machen. Weg damit.
Mit einem gut gezielten Schuss. Ist die kostengünstigste Lösung.«
    »Wenn
sie ihn überhaupt kriegen«, befürchtete Maria Friedrich aus Ratingen, die wie
immer drei Mehrkornbrötchen eingekauft hatte. Zwei für den Gatten, eines für
sich. »Vielleicht hat dieser Verbrecher Freunde in der Gegend, die ihn
verstecken oder außer Landes schaffen.« Sie machte ein besorgtes Gesicht.
    »Oder
er hat sich mit anderen Ganoven hier verabredet, kriminelles Pack aus Köln oder
so, die ihn abholen kommen. Dann wird es erst recht gefährlich«, zeterte eine
vollbusige gefärbte Blondine mit aufgespritzten Lippen, die Jule noch nie im
›Eifelwind‹ gesehen hatte. Irritiert musterte sie die Fremde. Irgendwie passte
sie nicht auf einen Campingplatz, fand sie.
    In dem
Moment hörte sie ein Schnauben hinter sich. Sie drehte sich um. Peter Odenthal.
    »Wer
ein Vierteljahrhundert im Knast war, hat draußen keine Freunde mehr«,
behauptete er selbstbewusst. »Die Polizei wird ihn bald einfangen wie einen
entlaufenen Hund. Außer, er nimmt sich wieder eine Geisel. Dann wird es
brisant.«
    Zu
alldem hatte Gerti, die Hände in die speckigen Hüften gestemmt, geschwiegen.
    »Räsch
üch aff, Künge«, besänftigte sie nun in rauem Timbre. »Nix wit so heeß jejesse,
wie et jekoch wit. Jank irch ens örntlich fröhstöcke. Jeneß ür Freihet bei Kaffee
und Brüjtche.« In ihren funkelnden Äuglein stand der Schalk. »Un wenn de Stefan
Winter he im ›Eefelwind‹ incheck, sach ich Besched!«
     
    Jule verließ den Laden
unmittelbar nach Peter Odenthal. Der Himmel draußen strahlte in
durchscheinendem Blau. Der Schnee lag mindestens 20 Zentimeter dick. Ein
Wintermärchen mitten im März.
    »Und?
Bleibt es bei unserer Verabredung heute Abend?«, fragte Peter. Er strotzte vor
Gesundheit und Selbstsicherheit. Jule fühlte sich wie immer klein und
unbedeutend in seiner Gegenwart.
    »Ja,
sicher«, antwortete sie halbherzig, während sie Brötchentüte und Zeitung an
sich presste. Ihre Finger schmerzten vor Kälte, weil sie die Handschuhe im
Anbau liegen gelassen hatte. »Essen bei Hermann?«
    Der
Campingplatz verfügte über eine eigene Kneipe mit kleinem Restaurantbereich.
Dort fungierte Hermann als Wirt und Koch in einem. Und gar nicht mal schlecht.
Die deftige Hausmannskost, die er zubereitete, war auf einfache Weise
schmackhaft. Das wussten vor allem die Dauercamper zu schätzen.
    »Warum
nicht? Ist besser bei dem Wetter auf dem Platz zu bleiben. Es sind bestimmt
noch nicht alle Straßen geräumt. Wäre 19 Uhr für dich okay? Ich hole dich ab.«
    Im
Grunde genommen duldete er keine Widerrede. Der große Odenthal hatte
gesprochen. Jule unterdrückte ein Seufzen und fügte sich.
    »Ja, 19 Uhr passt gut.«
     
    Die Zeitung ereiferte sich
sensationslüstern über Stefan

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