Blicke windwärts
wieder Luft bekam.
Er hatte gehofft, das andere lenkbare Behemothaurum wäre verschwunden, aber plötzlich war es da; ein beunruhigend ausgedehnter Bereich dunkleren Blaus tief unter ihnen. Uagen spürte, wie sein Herz sank, und er fragte sich, ob das Geschöpf, das sich an seinen Rücken klammerte, seine Angst spürte.
Er versuchte, sich darüber klar zu werden, ob er sich wirklich wegen seiner Angst schämte, und kam zu dem Schluss, dass es nicht so war. Angst diente einem bestimmten Zweck. Sie war jedem Geschöpf, das sich nicht vollkommen von seinem evolutionären Erbe abgewandt hatte und sich damit irgendeinem Abbild gleich gemacht hatte, nach welchem immer es ihn gelüstete, eingegeben. Je höher das geistige Niveau war, desto weniger verließ man sich auf Angst und Schmerz, um am Leben zu bleiben. Man konnte es sich leisten, beides zu missachten, denn man verfügte über andere Mittel, um mit den Folgen fertig zu werden, wenn die Dinge schlecht liefen.
Er fragte sich, welchen Stellenwert die Vorstellungskraft bei alledem hatte. Seinem Gefühl nach musste sie sehr wichtig sein. Jeder Organismus konnte aus Erfahrungen lernen, die ihm Schaden und Schmerz bereitet hatten, doch wahre Intelligenz sah einen möglichen Schaden voraus und vermied alles, was Schmerzen verursachen könnte. Darüber müsste es eine Abhandlung geben, sagte er sich. Er würde später daran arbeiten, vorausgesetzt, er würde überleben.
Er blickte auf. Yoleus war nicht zu sehen, sein gewaltiger Rumpf verlor sich im Dunst. Das Einzige, was er dort oben sehen konnte, waren die Infrarot-Signal-Hülse und die Begleit-Raubvogelspäher. Um ihn herum zischten und pfiffen zweihundert glatte blauschwarze Geschöpfe, die durch die dicke, warme Luft zu dem großen blauen Schatten hinabstießen.
Ein paar Augenblicke später weiteten sich all diese Gestalten plötzlich, streckten sich und grapschten mit ihren großen, dunkel gerippten Flügeln nach der Atmosphäre. 974 Praf stieß sich von seinem Rücken ab und setzte den Fall getrennt von ihm fort, die Flügel halb ausgebreitet.
Uagen konnte Einzelheiten auf der oberen Außenfläche des lenkbaren Behemothaurums unter ihnen ausmachen; Narben und Rillen in den Wäldern auf dem Rücken des Geschöpfes und ausgefranste, hundert Meter hohe Flossen, die Streifen eines gazezarten Stoffs kilometerweit im Windschatten träge hinter sich her zogen. Einige Flossen fehlten ganz, und zum hinteren Ende der gewaltigen Form hin war anscheinend ein großer Brocken weggerissen worden, als wenn ein noch größeres Etwas zugebissen hätte.
»Sieht ziemlich demoliert aus, was?«, rief Uagen 974 Praf zu.
Sie wandte den Kopf ein wenig in seine Richtung, lavierte näher zu ihm und sagte: »Der Yoleus glaubt, dass ein solcher Schaden noch nie dagewesen ist, jedenfalls nicht, soweit die lebende Erinnerung reicht.«
Uagen nickte nur, dann fiel ihm ein, dass lenkbare Behemothauren mindestens zehn Millionen Jahre lang lebten. Das war eine ganz schön lange Zeit ohne Präzedenzfall.
Er blickte nach unten. Der narbige, gewölbte Rücken des namenlosen Behemothaurums hob sich ihnen entgegen. Da fand jetzt allerlei Aktivität statt, wie Uagen bemerkte. Das sterbende Geschöpf war nicht nur von einem tauchenden Menschenaffen/Affenmenschen und ein paar Quasinukleolen entdeckt worden.
Es war eine grauenvolle Kreuzung zwischen Krebskrankheit und Bürgerkrieg. Das gesamte Ökosystem, das das lenkbare Behemothaurum Sansemin war, zerfetzte sich selbst in Stücke. Niemand sonst beteiligte sich daran.
Sie hatten seinen Namen anhand einer Beschreibung herausgefunden. 974 Praf war um ihn herumgeflogen und hatte alle Erkennungsmerkmale durchgegeben, die durch die Zerstörung nicht verändert oder ausgelöscht worden waren, dann war sie auf dem kleinen Hügel aus Umhüllungshaut hoch oben auf seinem Rücken gelandet, wo die Truppe der Raubvogelspäher ihr zentrales Basislager eingerichtet hatte. Die Dolmetscherin hatte ihre Erkenntnisse über die riesige samenförmige Signalhülse in der Mitte des in aller Eile angelegten Lagers übermittelt. Das Infrarotlicht der Hülse hatte Yoleus zig Kilometer weiter oben gefunden und die Antwort dann ein wenig später empfangen. Nach den gespeicherten Erinnerungen, die Yoleus mit seinesgleichen gemein hatte, lautete der Name des sterbenden Behemothaurums Sansemin.
Sansemin war schon immer ein Außenseiter gewesen, ein Abtrünniger, beinahe ein Gesetzloser. Er hatte sich von der höflichen
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