Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs (German Edition)
können deshalb auch ruhig die Summe nennen. Doch selbst wenn Sie ein Schnäppchen gemacht haben, wird Ihr chinesisches Gegenüber immer antworten: «Ach, das war viel zu viel. Mein Bekannter, Dr. Wang, holt Ihnen die Steine fürs halbe Geld raus. Und macht Ihnen obendrein die Nase.»
Die Chinesen reden so gerne über Geld, weil sie es tief und innig lieben. Wohl deshalb gibt es hier auch mehr Geldarten als anderswo, nämlich Yuan, Jiao und Fen. Ausländer, die zum ersten Mal in China sind, verstehen diese Unterteilung nicht auf Anhieb. Yuan ist noch einfach. Es ist die größte Einheit, so wie der Euro in Europa. Der Yuan zerfällt nun zwar auch in hundert Fen (= Cent), zugleich aber auch in zehn Jiao, wobei ein Jiao gleich zehn Fen sind. «Kapiert», sagen meine Besucher jedes Mal, wenn ich das erkläre. Dass sie es nicht verstanden haben, merkt man spätestens dann, wenn sie im Laden mit fünf Jiao etwas bezahlen wollen, das fünf Yuan kostet. «Aber», wird dann protestiert, «auf dem Schein» – es gibt immer noch mehr Jiao-Scheine als Münzen – «steht doch ’ne Fünf!» Man braucht sehr lange, um dem Chinafremden dann begreiflich zu machen, dass diese Fünf eigentlich für eine Fünfzig steht – «fünfzig von diesen ganz kleinen Dingern».
Damit der Schwierigkeiten nicht genug. Die Chinesen sagen nämlich zum Yuan auch bisweilen «Renminbi». Das heißt «Volkswährung», weil in China das Geld von allen benutzt werden darf, nicht nur von den Reichen. Meistens nennen sie ihn aber «Kuai», was so viel bedeutet wie «Stück». Sagt der Taxifahrer also: «Zwölf Stücke!», soll das heißen, dass Sie zwölf Yuan = zwölf Renminbi bezahlen müssen. Wahrscheinlich benutzen die Chinesen so viele verschiedene Bezeichnungen, damit der Fremde nicht allzu schnell zu vertraut wird mit ihrem lieben Geld.
Noch gewöhnungsbedürftiger aber ist, dass die Zehner-Einheit «Jiao» umgangssprachlich «Mao» heißt. Auf den Jiao-Scheinen ist nämlich von Mao keine Spur. Dafür prangt der Große Vorsitzende auf allen Yuan-Scheinen. Die haben die Chinesen am allerliebsten und wollen sie immer um sich sehen. Deshalb ist man hierzulande auch kein Freund von Überweisung und Kartenzahlung. Alles soll möglichst bar bezahlt werden und, wenn es geht, im Voraus: Nasen, Autos, Miete, Letztere am besten gleich für ein halbes Jahr. Nun gibt es aber keine Scheine, die größer sind als hundert Yuan (umgerechnet etwa zehn Euro). Das heißt, man zahlt mit dicken Bündeln, die man in Plastiktüten transportiert. Es gibt für einen Chinesen fast nichts Schöneres im Leben, als so ein Bündel in Empfang zu nehmen.
In der Mythologie des Westens ist der Mammon ein Teufel oder Dämon. Nicht so in China. Cai Shen, der Geldgott, genießt hier hohes Ansehen. Er wird verehrt und angebetet, damit er einen mit möglichst viel Cash versorgt. Manchmal steht er auch in Fußgängerzonen und lockt die Leute in neueröffnete Läden. Das Geld wird aber auch ganz direkt verherrlicht: auf Bauzäunen, Plakatwänden oder Telefonzellen. Wo früher das Bild Maos prangte, sind heute Dollarscheine und Goldmünzen abgebildet: eine tägliche Aufforderung, sich möglichst viel davon einzustecken. Schon Kinder lernen diesen Brauch, wenn sie am chinesischen Neujahrstag das schönste Spielzeug, das sich denken lässt, in die Hand gedrückt bekommen: den «Hong Bao», einen roten Umschlag, gefüllt mit Pinkepinke.
Mir gefällt die Geldverliebtheit der Chinesen gut, denn auch ich habe eine Schwäche für dicke Geldbündel. Jedenfalls lebe ich lieber in einem Land, wo man zum Geldgott betet, als in einem, wo man das Zinsennehmen öffentlich ächtet, dafür aber der Sprengstoffgürtel als modisches Accessoire geschätzt wird. Der wichtigste Satz der Chinesen ist mir bereits in Fleisch und Blut übergegangen: «Wie viel kostet das?» Allerdings fällt meine Antwort meistens noch sehr unchinesisch aus. Ich würde zum Beispiel nie verraten, was für ein Traumhonorar mir der Verlag für dieses Buch gezahlt hat. Aber mal was ganz anderes: Was würden Sie mir denn zahlen, wenn ich Ihnen oder Ihrer in China engagierten Firma in der nächsten Auflage dieses Buches ein Kapitel widmen würde, in dem Sie wirklich sehr gut wegkommen? Oder könnten Sie sich vielleicht vorstellen, mir eine Sonderauflage von, sagen wir mal, fünftausend Exemplaren abzunehmen, zum Sonderpreis, versteht sich? Sie könnten es ja als kleines Werbegeschenk an Ihre Kunden weitergeben. Falls Sie
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