Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs (German Edition)
er sich selbst die Antwort geben: «Nein. Ich beute sie ja gar nicht aus, sondern helfe, ihren Lebensstandard zu verbessern.»
Aber auch Männer wie John müssen manchmal ihre Ayi feuern. Dazu eröffnen sie einfach einen neuen Strang, den sie «Farewell to Ayi» nennen und wo sie noch einmal der Weltöffentlichkeit den jahrelangen Entfremdungsprozess zwischen sich und der Ayi schildern, bis hin zu: «Wir hatten ja eine persönliche Beziehung. Es war wirklich nicht einfach, Schluss zu machen. Doch als ich ihr nicht mehr trauen konnte, war es aus.»
So rührend kümmern wir Ausländer uns also hier in China um die Lösung der Ayi-Frage. Allerdings hat noch nie einer ausgerechnet, wie viel Zeit für das ganze Lamentieren über Ayis, für das Ayi-Suchen und Ayi-Überprüfen sowie die Diskussionen in den Ayi-Blogs so draufgeht. Wahrscheinlich hätte sonst schon jemand rausbekommen, dass man in derselben Zeit seine Wohnung leicht selber putzen könnte. Wie, das könnte ich ja auch? Nun, ich hätte damit keine Probleme. Wer aber schreibt dann dieses Kapitel zu Ende? Die Ayi etwa? Ich kann sie ja mal fragen. Ayi, wie sieht’s aus? «Wo ziji ye neng meng wo ziji! Yang gui zi!» – «Verarschen kann ich mich selber! Ausländischer Teufel.» Toller Schluss. Sagte ich nicht, dass ich eine sehr gute Ayi habe?
23 Buddna has not Mach the Valparaiso
Wer wissen will, was die Chinesen vom Rest der Welt so halten, der sollte einmal den World Park vor den Toren Pekings besuchen. In diesem Minimundus hat man architektonische Zeugnisse der Weltkultur nachgebaut – vom Eiffelturm bis zu den Doppeltürmen des World Trade Centers, die hier wunderbarerweise immer noch stehen. Angeblich, um Chinesen, die nicht ins Ausland reisen können, die Welt zu zeigen. In Wirklichkeit aber, wie ich weiß, um die nichtchinesische Kultur mittels subtiler Fehlinformationen zu verspotten.
Nehmen wir das Schloss Neuschwanstein. Das Original, so hat man an das Modell geschrieben, stehe «on an steep mountain on the southeast of Bonn City». Gar nicht so falsch, wenn man den Zwergstaat Deutschland mit Riesenreichaugen betrachtet. Noch unverfrorener macht man sich über die Hagia Sophia in Istanbul lustig. Angeblich wurde sie von gleich zwei Architekten gebaut: «by Charles Ting, the emperor of Eastern Roman Empire». Aber auch: «The whole building was built by marble.» Charles Ting? Nach westlichen Geschichtsbüchern hieß der Mann Flavius Petrus Sabbatius Iustinianus, kurz Justinian der I. Aber – har, har – klingt Ting nicht doofer?
Springen wir zur Pyramide von El Tajin in Mexiko. Wozu diente die nochmal? «It is a typical pyramid built for sacrificial purpose toward Apollo.» Aha. Apollo also, der Sohn des Zeus, im alten Mexiko. Aber mal was anderes: Wieso heißt die Pyramide nicht Pyramide, sondern: «El Tajin Building of the Colamns»? Und wohin geht es, wenn man dem Wegweiser «tne shewolf Fed Twins» folgt, in der «Europe area»? Bzw. erst mal: In welchen Zungen spricht der Chinese hier zu uns?
Wenigstens das ist schnell beantwortet. Die Sprache nennt sich Chinglish, ein Wort, das zusammengesetzt ist aus … Sie verstehen? Es gibt Chinglish in einer Lightversion, die immer noch verständlich ist. Da liest man auf einer Tüte mit chinesischen Maultaschen «Pumplings» statt «Dumplings» und an Behindertentoiletten «Facilitifs Disabled Person». Ausländer machen sich gerne über diese «Fehler» lustig. Der in Peking lebende Deutsche Oliver Lutz Radtke hat sogar zwei Chinglish-Bilderbücher herausgebracht, die sich mittlerweile zehntausendfach verkauft haben, hauptsächlich an Ausländer in China. In den bunten Bändchen hat er Fotos von herausragenden Chinglishbeispielen versammelt, wie «Mustard Ham artherosclerosis» als Gericht auf einer Speisekarte, die Aufforderung «Have a dog» auf einer Hinweistafel in Lhasa oder ein typisch antidemokratisches Schild an einem Teich in Chongqing: «Do not vote in the pool.»
Doch anders als die meisten plädiert Radtke dafür, Chinglish ernst zu nehmen. «Ich bin», so schreibt er im Vorwort seines zweiten Buchs «Speaking in tongues», «mehr als je zuvor davon überzeugt, dass Chinglish bleiben muss. Es gibt uns einen Einblick in das Denken der Chinesen …»
Letzteres ist natürlich vollkommen richtig. Allerdings wird Chinglish so oder so nicht untergehen. Schließlich sind die Chinesen erstens nicht blöd und könnten sich zweitens problemlos professionelle Übersetzer
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