Blind Date mit Folgen - Roman
konnte sie jedoch nicht genau zuordnen. So etwas wie Beklemmung. Aber ja, er hatte allen Grund, sich elend zu fühlen und durcheinander zu sein.
»Hi, Maira.« Unbeholfen stand er da, die Hände um etwas geklammert, das aussah, wie ein Hotelprospekt.
»Hallo, Yaron.« Sie nickte ihm nur zu, für eine Umarmung sah sie keine Veranlassung. Maira erschrak über ihre eigene Kälte.
»Komm, setzen wir uns an den Tisch dort.« Er lief voraus und bot ihr einen Stuhl an. Er selbst nahm auf der Bank an der Spiegelwand Platz, von wo aus man den Raum überblicken konnte. Eigentlich sollte es genau umgekehrt sein und als Gentleman überließ man der Dame den Sitz mit Aussicht, ging ihr dabei durch den Kopf. Sie setzten sich hin und einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen.
»Tja. Lange ist’s her«, begann Maira und brachte sogar ein Lächeln zustande.
»Ja, das ist es.« Er atmete hörbar aus. »Wie geht es dir?«
Sie sah ihn an und Erinnerungsfetzen zogen an ihr vorüber. Die Kaserne mit dem hohen Stacheldrahtzaun, vor dem sie so oft auf ihn gewartet hatte, die Kaffeestube in Tel Aviv, wo sie an seinen freien Wochenenden einkehrten und genüsslich karamellisierten Latte macchiato tranken, und ihr kleines Zimmer im Kibbuz, wo sie die innigsten und schönsten Momente erlebt hatten.
»Es geht mir … gut.«
»Was möchtest du trinken?« Er winkte ungeduldig nach dem Kellner und nun, da er die Broschüre weggelegt hatte, sah sie, dass seine Hände leicht zitterten.
»Eine Cola, bitte«, sagte sie zum Kellner, als er an ihren Tisch kam.
»Für mich das Gleiche.«
Yaron lächelte.
»Du trinkst noch immer keinen Alkohol, wie?« Sie lächelte zurück und schüttelte den Kopf. Er strich sich immer wieder durchs gewellte Haar, diese Geste war ihr fremd. Es sah irgendwie komisch aus und passte gar nicht zu ihm.
»Deine Haare sind länger geworden«, bemerkte sie, um die erneute Stille zu füllen. Und schütterer, dachte sie für sich, als sie an ihm vorbei sah und die verspiegelte Wand seinen Hinterkopf offenbarte. »Hab gar nicht gewusst, dass du Locken hast.«
»Ja, du kennst mich nur mit ganz kurzem Haar, wegen der Army. Ich hab sie wachsen lassen, weil ich damit mein Gesicht verändern konnte, das war enorm wichtig.« Er blickte verlegen auf seine Hände. In dem Moment kam der Kellner mit den Drinks. Yaron schien erleichtert, wahrscheinlich weil er so dem Thema ein paar Sekunden länger aus dem Wege gehen konnte.
Nachdem sie beide eine Weile umständlich mit ihren Getränken herumhantiert hatten und sie sich weigerte, erneut als erste zu sprechen, nahm er schließlich den Faden wieder auf.
»Du bist immer noch so schön wie früher. Du hast dich kein bisschen verändert, seit dem letzten Mal.« Und wieder ins Fettnäpfchen getappt. Seit dem letztem Mal, als sie auf seiner Beerdigung war, oder wie? Oder vielleicht in ihrem Zimmer im Kibbuz, wo sie das letzte gemeinsame Abendessen zu sich nahmen, bevor er sich tot stellte? Ja, wo war denn das letzte Mal? Maira fühlte Wut in sich hochsteigen.
»Und du lebst also wieder in Zürich?«, versuchte Yaron seinen Schnitzer zu korrigieren. »Was machst du dort? Hast du studiert?«
Ja, und das Wetter ist schön. »Ja, hab ich. Deutsch und Geschichte, hab das Studium aber abgebrochen, weil ich einen Job angenommen hab.«
»Und du bist nicht verheiratet, keine Kinder?«
Nein, mein Herz hat während zehn Jahren nur dir gehört. »Nein und nein. Das hat dir alles schon SECRETS im Chat geschrieben, und sie hat dir die Wahrheit gesagt. Wie sie es immer getan hatte.«
Das hatte gesessen. Yaron sank auf der Bank in sich zusammen.
»Bist du wegen Svens Chat-Nachrichten hier oder wie bist du auf das Ganze gekommen?«, erkundigte er sich scheu.
»Ja, es war purer Zufall, dass ich die Chats gelesen habe. Nachdem ich dich im Hotel erkannt hatte, wollte ich nie mehr etwas mit dir zu tun haben. Aber dann hat mich die Frage nach dem Warum nicht mehr losgelassen. Verstehst du? Warum du das alles getan hast.« Sie sprach schnell und sah ihn nicht an, wollte es einfach so rasch wie möglich rauslassen. »Als ich heute sah, dass Sven dir als SECRETS geschrieben hat, merkte ich gleich, dass er etwas gegen dich im Schilde führte. Da ich weder ihn noch dich telefonisch erreichen konnte, bin ich einfach in den nächsten Flieger gestiegen. Ehrlich gesagt habe ich es mit der Angst zu tun bekommen.«
»Du wirst das Schlimmste von mir denken, Maira, und ja, Sven lockte mich hierher, um mir
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