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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Thompson
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richtig zu trauern, an dem wir nur unsere Gesäße verschleißen und Moos auf unseren phallischen Schläuchen wachsen lassen können.
    Gott ist nicht tot, nein. Die Irren sterben nie; sie lachen sich nur in einen Zustand der Katatonie, aus dem sie sich, noch immer lachend, wieder erheben. Schreiend, kreischend und brüllend.
    Nein, Gott ist nicht tot. Er hat seinen Laden noch immer an derselben alten Ecke. Ich habe ihn selbst dort gesehen, wie er die Gauner mit Reichtümern überhäuft, den Witwen und Waisen nur Kot und Urin verhökert und den Blinden die Pennys stiehlt.
    Und wir dürfen nicht weinen. Nein, noch nicht mal, wenn wir im Blut des Lamms gereinigt worden sind und dessen Säure uns die jämmerlichen Ärsche weggefressen hat.
    Wir dürfen nicht weinen.
    Der Herr liebt den fröhlichen Versager und hasst ihn zugleich, er ist schlicht und einfach so verrückt wie nichts.
    Keine Zeit für Tränen …

20.
    Aus den Aufzeichnungen von Dr. med. S. J. Hadley, Arzt und Chirurg
    Gerade als ich ins Krankenhaus aufbrechen wollte, betrat er meine Praxis. Ein Negerjunge, äußerst ungebildet, aber sauber und gepflegt und von angenehmer Höflichkeit.
    »Sin Sie der Doktamann, Sir?«, fragte er, verbeugte sich und scharrte mit dem Fuß. »Ich hab da was auf der Straße gefunden, das is wohl für Sie, dacht ich.«
    Er hielt mir einen braunen Papierumschlag hin, der auf der Straße ein wenig schmutzig geworden war. Bevor ich ihn mir nehmen konnte, hatte meine Frau ihn sich geschnappt, von der Erscheinung her ein weiß gekleidetes Waschweib, das erstaunlich flink watscheln kann.
    »Ich kümmer mich drum, Dokta«, erklärte sie. »Du kümmer dich um deine Angelegenheiten.«
    »Augenblick mal!«, unterbrach ich sie streng. »Das ist meine Angelegenheit, oder etwa nicht? Kannst du denn den Namen nicht lesen, der da deutlich auf dem Umschlag steht?«
    Ich nahm ihn ihr ab. Sie schürzte nach Negerart die Lippen und murmelte, sie habe doch nur helf’n wollen. Helf’n, um Himmels willen! Ich sagte ihr, sie könne sich nützlich machen, indem sie sich von meinem Büro fernhalte, bis sie gerufen werde.
    »Schon gut, schon gut«, murmelte sie und watschelte zur Tür. »Du komms zu spät ins Krankenhaus.«
    »Wie meistens«, erklärte ich eisig. »Mit dir im Wagen schafft man es kaum, schneller als fünfundzwanzig zu fahren.«
    Ich schubste die Tür hinter ihr zu und widmete mich wieder dem Negerjungen. »Vielen herzlichen Dank, dass du ihn mir gebracht hast«, sagte ich. »Hier hast du einen Vierteldollar.«
    »Nein, nein, Sir, danke, Sir.« Er legte die Hände hinter den Rücken. »Ma will nich, dass ich Geld nehm, für was ich richtig mach.«
    »Na, du musst ja eine sehr feine Mutter haben«, erklärte ich, »und sie hat da offenbar einen sehr feinen Sohn großgezogen. Ach, wie heißt du eigentlich?«
    »Legion, Sir. Mein Name is Legion, jawohl, Sir.«
    »Legion, hm? Ein sehr ungewöhnlicher Name.«
    »Jawohl, Sir. Schätze, das kommt, weil ich auch ’n ungewöhnlicha Junge bin.« Dann kicherte er blödsinnig, wie ein ungebildeter Neger eben kichert. »Jawohl, Sir, schätze, das is wohl der Grund.«
    Er ging unter Verbeugungen aus der Praxis und kicherte weiterhin wie blöd. Ich setzte mich an den Schreibtisch und musste ein wenig grinsen beim Gedanken an den Burschen, dachte, es müsse wohl alle möglichen Leute geben, aber dieser Junge hätte vielleicht eine Chance, wenn er sie nur ergreifen würde.
    Ich öffnete den Umschlag, dann stutzte ich, als ich bemerkte, dass keine Briefmarken darauf waren und auch der Absender fehlte. Offenbar war der Brief per Bote an meine (bildlich gesprochen) Türschwelle gebracht worden. Aber warum hatte der Mann seinen Auftrag nicht zu Ende geführt und ihn mir ausgehändigt? Und warum …
    Ich sprang eilends auf die Füße und riss die Haustür auf. Doch der Bursche namens Legion war nirgends zu sehen. Ich setzte mich wieder an den Schreibtisch, und langsam wurde der nagende Eindruck stärker, dass mir der junge Legion irgendwie bekannt vorkam, aber woher, das wusste ich nicht, denn ich war mir sicher, dass ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte; er ähnelte auch keinem der Schwarzen in meiner Bekanntschaft. (Eine sehr, sehr kleine Gruppe, wie ich versichern darf.) Seit Jahren bewege ich mich nun schon ausschließlich unter Weißen, und …
    Eine Weiße! Eine gewisse weiße Frau! Der ähnelte er. Und all sein Verbeugen und Füßescharren und Kichern hatte diese Ähnlichkeit nur übertüncht.
    Und

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