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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Thompson
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nehme Negerschwänze«, hatte sie gesagt. »Aber ich bekomme es nicht von Negerschwänzen. Wenn Sie glauben, ich hätte den Tripper, dann können Sie abschwirren und es sich selbst besorgen.«
    Na ja …
    Am Ende entschuldigte ich mich bei ihr. Später in der Nacht entschuldigte sie sich auch bei mir. Ich ging sehr sorgsam mit ihr um. Das musste ich, wenn ich sie wiedersehen wollte. Sie war heiß begehrt und tolerierte nichts, was auch nur im Geringsten als Beleidigung hätte angesehen werden können. Eine merkwürdige Einstellung für eine Nutte, gewiss, auch wenn sie nicht allein auf Stolz beruhte. Ich würde nicht behaupten, dass sie verrückt war – bislang habe ich noch keine befriedigende Definition für Verrücktheit gefunden –, eher ist sie geistig verwirrt. Grenzwertig schizoid (wie es zweifelsohne auch ihr Sohn, qua Erbe, ist), dazu in der Lage, vollkommen normal, ja sogar geistreich zu erscheinen. Doch unter Druck wird sie gefährlich hysterisch.
    Einmal hat sie mir, als wir beide viel zu viel getrunken hatten, gestanden, sie sei die Jungfrau Maria und ihr Sohn Jesus Christus, Frucht einer unbefleckten Empfängnis.
    »Deshalb muss ich ihn rein und unberührt halten«, erklärte sie orakelnd. »Deshalb wird er Leid ertragen müssen, denn nur so kann er die Menschheit erlösen!«
    Ich schaffte es irgendwie, ernst zu bleiben. Mit Mühe unterdrückte ich die Bemerkung, Maria könne eigentlich keine Jungfrau sein, da sie ja bereits Jakobus zur Welt gebracht hatte, den Bruder Jesu, gezeugt von ihrem Gatten Josef.
    Ich lachte nicht, stritt auch nicht mit ihr, denn ich wusste damals schon, sie würde beleidigt sein; und sie zu beleidigen war ziemlich unklug.
    Ich seufzte und schüttelte den Kopf, machte mir Vorwürfe, ihren Sohn geschnitten und so ihren Zorn auf mich gezogen zu haben. Ich griff nach dem Telefonhörer, denn ich sah nur eine Möglichkeit für mich. Ich musste mich entschuldigen und es wiedergutmachen.
    Ich hätte ihr natürlich jede Menge Ärger bereiten können, doch das wäre unweigerlich auf mich zurückgefallen. Es wäre mein Ruin gewesen. Sie dagegen hatte so gut wie nichts zu verlieren.
    Ich saß gedankenverloren da, versuchte, mir eine passende Entschuldigung zurechtzulegen, und klopfte mit dem Umschlag, in dem das Foto gekommen war, auf den Tisch. Dabei fiel ein zusammengefaltetes Stück Papier heraus, auf der Schreibmaschine geschrieben. Ich faltete das Blatt auseinander und las:
    Nein, das ist keine Fälschung, o ehrwürdiger Arzt. Sie werden den Beweis dafür erhalten, wenn Sie sich heute gegen 15 Uhr 30 am Bungalow Nr. 6 des unten genannten Motels einfinden. Ich sollte eigentlich auch dort sein, doch bin ich mir sicher, dass Steve und Liz auch ohne mich zurechtkommen werden.
    Untrööstlich,
    Legion
    Neben dem Namen und der Anschrift des Motels gab es noch eine Nachschrift. Hier in ihrer unsinnigen Gänze:
    PS: Kampf der Scheiße! Nigger in die Scheißhäuser!
    Ich verbrannte Zettel und Foto und spülte die Asche im Klo herunter.
    Dann griff ich nach dem Hörer, wollte die Schule anrufen, denn wenn tatsächlich irgendeine schändliche Handlung drohte, dann konnte ich das leicht abwenden, indem ich Steve und Lizbeth nach Hause schicken ließ. Doch wenn ich das tat, wie konnte ich dann jemals die Wahrheit erfahren? War das Bild nun eine Fälschung oder nicht? Waren Liz und Steve die feine junge Frau und der feine junge Mann, für die ich sie stets gehalten hatte?
    Legion (alias Allen Smith) war ein verteufelt cleverer Bursche, der Mistkerl!
    Er hatte es mir überlassen, ins Motel zu gehen und vielleicht das Unerträgliche aufzudecken, oder es nicht zu tun und für immer im Zweifel zu bleiben.
    Ich entschied, dass Letzteres das Schlimmere von beidem sei. Ich musste es wissen . Ich musste es wissen. Und die einzige Möglichkeit, es herauszufinden, bestand darin, zum Motel zu fahren.
    Mary anzurufen war natürlich sinnlos. Sie hatte offensichtlich keine Ahnung, was geschehen war, genau wie sie anscheinend nicht imstande war, auf ihren Sohn aufzupassen. Vielleicht litt der Mann, der ihn gezeugt hatte, ebenfalls an schizoiden Zügen, dann hätten sich ihre vagabundierenden Gene zusammengetan und sich in ihrem Sohn verdoppelt. Vielleicht hatte sich seine Neurose aber auch an der ihren gespeist und so an Kraft gewonnen.
    Wer weiß? Wie wenig, wie überaus wenig wir doch über die Arbeitsweise unseres Verstandes wissen, der uns lenkt. Und wen kümmert’s? Uns jedenfalls nicht, die Bürger und

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