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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Thompson
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unglücklichen Verweises – ach, zum Henker!« Er flüsterte verschwörerisch. »Bleib noch ein paar Tage daheim. Ich möchte nicht, dass deine Mutter sich unnötig Sorgen macht. Wir behalten das für uns, okay? Ein wenig Schule versäumen wird einem Schüler wie dir nicht schaden.«
    Mutter kam aus dem Schlafzimmer, sie hatte ihr Make-up aufgefrischt und trug ein wirklich schickes dunkles Kleid. Sie sah von Velie zu mir und fragte, worüber wir denn gesprochen hätten. Velie antwortete, wir hätten uns darüber unterhalten, was für eine bezaubernde Mutter ich hätte. Sie lachte und sagte, allein dafür müsse er schon zum Essen bleiben.
    Das würde er gerne, meinte Velie. »Aber ich hatte vor, heute Abend zu arbeiten. Ich habe Miss Blair schon Bescheid gesagt, dass ich sie brauche.«
    »Ach, Unsinn«, widersprach Mutter. »Rufen Sie sie an und sagen Sie ihr, Sie hätten es sich anders überlegt. Sie können das Telefon dort drüben im Fernsehzimmer benutzen.«
    Velie ging ins Fernsehzimmer und nahm sein Glas mit. Er blieb ein paar Minuten fort, offenbar hatte Josie starke Einwände und wollte auf die Intimitäten nicht verzichten, an die sie sich so gewöhnt hatte. Als er ins Wohnzimmer zurückkam, wirkte er ein wenig mitgenommen, und sein Glas war leer.
    Mutter bat mich, ihm noch einen Drink zu holen, und für sie auch noch einen.
    Es war für beide bereits der dritte. Während sie davon tranken, meinte Mutter zu mir, ich könne schon mal aufdecken.
    »Aber dein Dinner verschiebst du am besten, Allen. Es wäre nicht gut für dich, etwas auf verdorbenen Magen zu essen.«
    »Das stimmt«, pflichtete Velie ihr bei, der nichts dagegen hatte, eine Schwarze zu vögeln, aber nicht gern zusammen mit einem aß. »Ich sehe, Sie kümmern sich sehr liebevoll um Ihren Sohn, Mrs. Smith.«
    »Nun ja …« Mutter konnte einen Seufzer nicht unterdrücken. »Ich tue mein Bestes. Ich trage eine Verantwortung, und der sollte man auch nachkommen.«
    »Tss, tss.« Velie schüttelte ernst den Kopf. »Sie sind zu hart gegen sich selbst. Schließlich müssen Sie noch sehr jung gewesen sein, als Sie geheiratet haben.«
    »Oh, das war ich, das war ich«, sagte Mutter, seufzte ungeniert und gab einen leisen Hickser von sich, denn der dritte Drink war ziemlich stark. »Sehr jung und sehr, sehr dumm, bedauerlicherweise. Falls ich es noch einmal tun müsste …« Ihre Stimme versiegte, und sie sah mich mürrisch an: »Allen, hab ich dir nicht gesagt, du sollst den Tisch decken?«
    »Das stimmt, Allen«, meinte Velie und runzelte die Stirn. »Tu, was deine Mutter sagt.«
    »Ja, Ma’am, Missy!«, sagte ich. »Yes, Sir, Massah. Sofort, Ma’am, Sir!«
    Doch die beiden waren schon zu blau und zu sehr mit sich beschäftigt, um das noch mitzukriegen.
    Ich brachte das Essen auf den Tisch; als sie fertig waren und ich abräumte, gingen sie ins Wohnzimmer hinüber. Ich servierte ihnen dort Kaffee und Crème de Cacao. Sie schlabberten es weg, und Mutter meinte, ihr wäre noch nach einem Drink zumute. Velie sagte, sie hätte ihn überredet, also mixte ich ihnen doppelte Scotchs mit einem Schuss Sherry, um sie von den Beinen zu holen – aber richtig!
    Ich schlich unterwürfig umher und fragte, ob ich noch etwas für sie tun könne. Ja, meinte Mutter, da wäre noch was.
    »Du kannst mal eine Weile rausgehen. Wenn du die ganze Zeit nur in der Wohnung hockst, ist es kein Wunder, dass dir schlecht ist.«
    »Das stimmt«, meinte Velie. »Ein paar Stunden an der guten, frischen Luft werden dir sehr guttun, Allen.«
    Mutter bemühte sich, ihre Stimme etwas freundlicher klingen zu lassen. »Du kannst dich auf die Bank vorm Haus setzen, Allen. Da wird dich keiner belästigen, falls du dir deshalb Sorgen machst.«
    »Ja, Ma’am«, sagte ich. »Das mach ich, Ma’am.«
    Aber das tat ich natürlich nicht.
    Ich setzte mich nicht einfach draußen hin, denn der Zeitpunkt war gekommen.
    Ich weiß nicht, woher ich wusste, dass es so war. Wahrscheinlich eine Eingebung. Vielleicht auch irgendeine Assoziation.
    Doch welcher Zeitpunkt konnte besser geeignet sein für das, was sie erwartete, als der Moment, an dem sie kamen?

19.
    Tief in Gedanken versunken ging ich in Richtung Einkaufszentrum und zu einer Telefonzelle. Ich dachte, wie komisch es doch war, dass ich es immer gewusst und zugleich nicht gewusst hatte. Ich hatte mir verboten, es zu wissen – oder zuzugeben, dass ich es wusste. Ich mied absichtlich den Beweis, der mir Gewissheit gebracht hätte.
    Immer wieder

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