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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Thompson
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…!«
    »Du hättest ihm von der Salami abgeben sollen«, sagte ich. »Hattest du denn keine bei dir?«
    Sie machte erstickte Geräusche und bekam vor Wut kein Wort heraus. Dann: »Also gut, verdammt noch mal! Aber komm du nur noch einmal in meine Nähe, dann wirst du schon sehen! Wenn ich dich jemals wieder zu Gesicht kriege, dann …«
    Sie unterbrach sich plötzlich, als sie Velie aus dem Augenwinkel heraus erkannte. »Aber Paul, bist du das?«
    »Ähm, ja, ich bin’s Mary.« Er kam unbeholfen auf sie zu. »Ich wurde ge…, ich mein, ich habe die Schule verlassen und, ähm, ich dachte, ich schau noch mal vorbei und verabschiede mich, also, ähm …«
    »Aber deine Hände bluten ja! Was um alles in der Welt ist passiert?«
    »Tja, ich fürchte, dafür ist dein Sohn verantwortlich, Mary. Ich wollte natürlich nicht die Polizei rufen, aber …«
    »Nein, nein«, sagte Mutter schnell. »Natürlich würdest du das nicht tun. Aber steig doch ein. Wir fahren irgendwo hin auf einen Drink.« Velie stieg ein, und Mutter sagte: »Wir können, Fahrer. Fahren Sie! «
    Der Fahrer klappte langsam das Comicheft zu, in dem er gelesen hatte. Er warf ihr einen Blick im Rückspiegel zu und riet ihr, ruhig Blut zu bewahren – die Art von Ratschlag, mit der New Yorker Taxifahrer recht frei zügig sind.
    »Ich hab Sie doch schon mal gefahren, oder? Zwei, drei Hotelfahrten?«
    »Hören Sie!«, fauchte Velie. »Wir haben es eilig!«
    »Warum?« Der Taxifahrer warf einen verschlagenen Blick in den Spiegel. »Können Sie es nicht erwarten, schon wieder durchgebläut zu werden?«
    Velie erwiderte nichts darauf.
    »Entschuldigung, Sir«, meinte Mutter unterwürfig. »Wir sind so weit, wenn Sie so weit sind.«
    »Schon besser«, meinte der Fahrer. »Sagen Sie mir nicht, was ich zu tun habe, und ich halte es genauso bei Ihnen.«
    Er warf einen Gang ein, und das Taxi fuhr davon. Doch ich blieb nicht lange allein. Das hatte ich mir schon gedacht, als ich hierhergekommen war.
    In der Siedlung war ich vor denen sicher gewesen, die mir heimzahlen wollten, was ich ihnen angetan hatte – oder mich zumindest dafür bluten lassen wollten. Ihre Wut hatte ihnen Geduld verliehen, sie warteten darauf, Rache üben zu können, und ihre Entschlossenheit wuchs nur noch mit zunehmender Wartezeit.
    Und endlich war es so weit. Ich war ein leichtes, ungeschütztes Ziel. Ein Schwarzer, der in der stockfinsteren Nacht dahockt. Ein Nigger, allein und mit Scheiße angefüllt, zuckt nur mit den Achseln und denkt: Was soll’s.
    Plötzlich tauchten Steve und Lizbeth Hadley auf. Liz schüttelte mich und riss mir an den Haaren, Steve boxte mit beiden Händen auf mich ein. Wie lang das so ging, weiß ich nicht, und es ist mir auch egal. Ich weiß auch nicht, wann Doozy in all dem Gewühl auftauchte.
    Seine Arme beschrieben zwei Kreise; Steve stolperte rücklings, Liz fand sich weit weg von mir wieder.
    »Was zum Teufel soll das, Rafer?« Steve keuchte und starrte ihn wütend an. »Geh aus dem Weg, sonst wirst du es noch bereuen!«
    »Ich wünschte, ich würde, aber du wirst dir wünschen, du würdest nicht«, versprach ihm Doozy.
    »Aber … aber warum hältst du zu ihm?«, wollte Lizbeth wissen. »Denk doch mal an all das, was er uns angetan hat!«
    »Was hat er euch denn schon getan?«, fragte Doozy. »Mich hat er vor meinen Leuten lächerlich gemacht, dass es richtig wehtat. Aber vielleicht haben wir es ja nicht anders verdient, oder? Wir haben was getan, was falsch war, und uns außerdem noch saublöd angestellt.«
    Steve und Liz grummelten und murmelten säuerlich. Doozy meinte, in ihrem Fall wisse er das ja nicht so genau. »Vielleicht wolltet ihr’s ja gar nicht tun, ihr beiden. Vielleicht hat Al euch eine Waffe an den Kopf gehalten und euch dazu gezwungen, hm?«
    Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Ich versuchte, mich umzudrehen, um zu sehen, was los war, aber es ging nicht. Ich blieb genau dort, wo Doozy mich bei seinem Eintreffen abgelegt hatte. Flach auf dem Boden, mit dem Gesicht nach unten, sein Schuh Größe 46 zwischen meinen Schulterblättern. Meine Rasierklinge war Gott weiß wohin verschwunden, aber Gott und ich sprachen gerade nicht miteinander.
    Eine ungeheuerliche Lage für jemanden wie mich, der ich sonst diktatorisch bestimmte, welches Schicksal anderen zuteilwurde. Denn für mich, der ich, wie Sie zugeben müssen, König der Könige war, das allergrößte Arschloch von allen, für mich war das noch demütigender als alle Demütigungen,

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