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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Thompson
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stand er am Fußende meines Betts, sah mich betont traurig an und schüttelte kummervoll den Kopf. Schließlich murmelte er, er wisse überhaupt nicht, was er zu so einem wie mir noch sagen solle.
    »Ich verstehe deine Haltung einfach nicht, Herbie. Carols Vater war nicht nur ein geschätzter Kunde, sondern auch ein enger Freund von mir. Er ist plötzlich verstorben und hat sie völlig mittellos und ohne jede Ausbildung, die man braucht, um es in dieser Welt zu etwas bringen können, zurückgelassen. Ich …«
    »Warum bringt sie sich dann nicht selbst auf den Markt?«, fragte ich. »In dem Hüftgürtel Größe 34 steckt eine Million.«
    »Heimatlos«, betonte Papa. »Heimatlos und hilflos. Das arme Kind braucht eine Arbeit, eine beschützende Umgebung. Wir brauchen eine Haushälterin. Also …«
    »Und warum brauchen wir eine?«, fragte ich. »Mama wird das nicht gefallen. Warum können wir nicht so weitermachen wie bisher, mit einer Zugehfrau einmal am Tag?«
    Papa ließ sich ausführlich darüber aus, warum der jetzige Zustand nicht aufrechterhalten werden könne und Carol bei uns bleiben müsse – ein Vortrag, der sich in die Länge zog, aber wenig Inhalt bot. Er hatte noch nie viel Geduld mit mir gehabt; er konnte gar nicht anders, als jeden zu verachten, der ihm ähnlich war. Nachdem also alle Argumente abgewiesen waren, traf er mich dort, wo es wirklich wehtat.
    »Du dummer kleiner Versager! Versuchst mir zu erzählen, was ich zu tun habe, wo du dich selber doch von einem Kind zum Blödmann machen lässt! Aber das ist wenigstens ein kluger Bursche, einer mit Verstand . Ein Musterbeispiel dafür, was ein Junge leisten kann, wenn er nur wirklich will! «
    »Ich versuche mein Bestes«, widersprach ich. »Ich bin ziemlich gut.«
    »Ziemlich gut? Ich sag dir, was ziemlich gut ist, mein Junge! Ziemlich gut ist, wenn niemand besser ist! Wenn du deine Zähne in die vorderste Zitze geschlagen hast, nicht irgendwo in der Mitte oder noch weiter hinten!«
    Es sei unmöglich, ihn zufriedenzustellen, sagte ich. Selbst wenn ich mich umbringen würde, würde er noch erwarten, dass ich mich selbst einbalsamierte. Verdammt richtig, das würde er, erwiderte er. Wenn jemand so aussehen würde wie ich oder wie er, dann sollte er besser ziemlich viel Grips haben.
    »Aber lassen wir das! Carol bleibt, ob es dir gefällt oder du dir in den Hut scheißt und es Schokolade nennst. Und du wirst dich anständig benehmen, bei Gott! Noch irgendeinen deiner schmutzigen Tricks, und ich breche dir persönlich jeden Knochen einzeln!«
    »Warum versuchst du nicht mal was Neues?«, fragte ich.
    »Du hast mich verstanden, Herbie! Und vergiss es besser nicht!«
    »Schon gut«, meinte ich. »Eins solltest du allerdings auch nicht vergessen. Du hast eine Frau.«
    »Und?«
    Carol blieb.
    Mama ging es schlechter.
    Sie lag tagelang im Bett, murmelte vor sich hin, aß kaum genug, um am Leben zu bleiben. Manchmal half ich ihr, brachte sie dazu, ins Bad zu gehen, sich zu kämmen oder hübsch zu machen. Meistens jedoch blieb sie ungekämmt, eine hagere, stinkende Hexe. Und ständig verlangte sie Bestätigung – von mir, jemand anderen ließ sie nicht an sich heran. Ständig starrte sie in den Spiegel, linste ihr hässliches Spiegelbild von allen Seiten an und verlangte dann, ich solle ihr die »Wahrheit« sagen:
    Sie sei doch schön, nicht wahr? Sie sei doch die schönste Frau der Welt, oder?
    »Natürlich, Mama«, antwortete ich dann. »Deine Schönheit blendet mich. Es war noch nie jemand so schön wie du, Mama.«
    »Ehrlich? Sagst du auch die Wahrheit, Herbie?«
    »Ehrlich, Mama. Ich schwöre es.«
    Eines Nachmittags bat sie mich, ihr ans Fenster zu helfen, wo das Licht besser sei, damit ich ihre »Schönheit« noch mehr bewundern könne. Schwärende Übelkeit umklammerte mein Herz, und ich zögerte.
    »Warum warten wir nicht noch etwas, Mama? Ich, ähm, also, ich brauche Hilfe dabei, und alle anderen sind außer Haus.«
    Mama bestand darauf. Sie warf mir vor, ich würde sie in Wirklichkeit hässlich finden und wolle sie nicht ans Fenster bringen, weil mir bei ihrem Anblick übel würde.
    »Sie hat dich gegen mich aufgebracht, stimmt’s? Ja, sie hat auch dich dazu gebracht, dass du mich hasst.«
    »Nein, nein!«, widersprach ich. »Nein, nein, nein, Mama!« Und wissen Sie was? Bei Gott, ich flennte tatsächlich! Stellen Sie sich das mal vor! »Ich liebe dich mehr als alles auf der Welt, Mama!«
    »Nein, tust du nicht, Herbie. Du bist genauso schmutzig

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