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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Thompson
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und lüstern wie er. Du hast dich gegen deine eigene Mutter gewendet, und nun …«
    »Nein! S-sag so was nicht, Mama!«
    »Na, dann bring mich ans Fenster!«
    Ich brachte sie ans Fenster. Ich brachte sie dorthin, Gott helfe mir, und ich wusste ganz genau, was sie vorhatte.
    Sie tat es.
    Sie mussten sie vom Bürgersteig kratzen.
    Ich musste natürlich etwas warten, bis ich Papa drankriegen konnte. Wenn ich ihn zu früh umgebracht hätte, als ich noch nicht strafmündig war, dann wäre ich wohl von irgendeinem stinkigen Gericht unter Vormundschaft gestellt worden; außerdem brauchte ich noch aus anderen Gründen etwas Zeit. Um mich bei ihm einzuschleimen. Um den guten, gehorsamen Sohn zu spielen. Um ihn dazu zu bringen, mir zu vertrauen und sich mit mir zu beraten. Alles mit dem Ziel, ihn dazu zu bringen, sein Testament so aufzusetzen, wie ich es wollte.
    Als ich das erreicht hatte und alt genug war, um einer Stieffamilie zu entgehen, verabreichte ich ihm eine Überdosis Digitalis.
    Das war sein Ende (vor etwa sechs Monaten).
    Was Carol betraf …
    »Du brauch ficki-ficki?«, fragte Itzop. »Ich gut ficki-ficki – nix Geld.«
    »Wie bitte?«, fragte Carol.
    Itzop formte mit Daumen und Zeigefinger einen Ring. Dann starrte er sie lüstern an, steckte einen Finger der anderen Hand durch den Ring und zog ihn auf überdeutliche Weise vor und zurück.
    »Ficki-ficki«, sagte er. »Bunga-bunga.«
    Endlich kapierte Carol. Sie war zu dumm, um Wörter von mehr als einer Silbenlänge zu verstehen, aber ein Bild konnte sie erkennen.
    Schreiend machte sie kehrt und rannte davon.

2.
    Natürlich kam ich gerade um die nächste Ecke. Natürlich rannte sie mir in die Arme. Sie gab erneut einen Schrei von sich – einen kleinen, da sie schon ziemlich außer Puste war. Dann erkannte sie mich und ließ sich buchstäblich an mich sinken.
    »Aber Carol«, sagte ich mit erstaunter Stimme. »Mama Carol«, ergänzte ich, klopfte ihr beruhigend auf die Schulter und widerstand dem Drang, sie zu betatschen. »Was um aller Welt ist denn los?«
    »D-dieser Mann!«, schluchzte sie an meiner Brust. »Dieser fü-fürchterliche Mann!«
    Wo, sagte ich, welcher Mann, wer, was hat er getan, und so weiter. Carol löste ihr Gesicht ein wenig und warf einen Blick zurück.
    »Da drüben! Er … er … er – ach«, unterbrach sie sich und schniefte vor Erleichterung, »ich glaube, er ist wohl weggerannt.«
    »Na, das ist auch gut für ihn«, sagte ich. »Wenn ich den erwische …! Was hat er denn getan?«
    »Er … er … hat mich beleidigt!«
    »Also, so ein Gauner!«, meinte ich erbost. »Allein die Vorstellung! Was genau hat er denn getan?«
    Carol wollte darauf antworten, biss sich dann auf die Lippen, und ihr hübsches Gesicht lief rot an. »Ich, ähm, ich möchte lieber nicht darüber sprechen, Herbie. Nicht jetzt zumindest. Kannst du mich zurück in die Wohnung begleiten?«
    »Aber natürlich, das mach ich«, antwortete ich. »Für meine liebe kleine Mama Carol würde ich doch alles tun!«
    Wir gingen in Richtung unserer Wohnung. Sie hängte sich an meinen Arm, drückte ihn ab und zu aus Dankbarkeit, worauf ich natürlich mit einem Tätscheln ihrer plumpen kleinen Hand reagierte, was wiederum Auslöser eines weiteren Armdrückens ihrerseits war, was wiederum …
    Ach, vergessen Sie’s.
    Es genügt zu sagen, dass wir, als wir in Sichtweite der Wohnung kamen, eher wie ein Liebespaar aussahen denn wie Mutter und Stiefsohn. Als wir aber die Drei Furien vor der Tür sitzen sahen, wichen wir lieber auseinander.
    Das Wohnhaus gehörte zu Papas Nachlass. Früher mal war es ein sehr gutes Haus gewesen, mit hohen Mieten. Nun waren die Mieten zwar, in Dollar ausgedrückt, nicht billig, doch gemessen an dem, was man dafür kaufen konnte, waren sie es schon. Eine Wohnung, die hier zweihundert Dollar im Monat kostete, hätte in einem anderen Gebäude sechshundert erfordert. Der Grund dafür war, natürlich, die Mietpreisbindung.
    Die Mieter, Menschen mit passablem, aber keineswegs hohem Einkommen, lebten schon ihr halbes Leben und länger hier. Und bei diesen Preisen hatten sie natürlich vor, auch den Rest ihres Lebens hierzubleiben. Die Hausverwaltung – die sich mit steigenden Kosten bei festen, niedrigen Einnahmen konfrontiert sah – tat das Einzige, was ihr blieb. So wenig wie möglich.
    In früheren Zeiten wurden die Wohnungen alle zwei Jahre neu tapeziert. In früheren Zeiten wurde die Fassade jedes Jahr sandgestrahlt. In früheren Zeiten war das

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