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Blind

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Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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wieder ausgespuckt hatte.
    »… gibt es keine Überlebenden. Sobald uns neue Einzelheiten vom Ort des Geschehens erreichen, werden wir sie sofort informieren«, sagte Beutel. Er drehte den Kopf leicht zur Seite, und für einen Augenblick huschte das blaue Spiegelbild des Teleprompters über die Bifokalgläser seiner Brille. »Der Rockstar Judas Coyne ist tot. Am späten Nachmittag konnte das Sheriff-Büro von Dutchess County bestätigen, dass Judas Coyne, der internationale Superstar und Sänger von Jude's Hammer, offenbar seine Freundin Marybeth Stacy Kimball erschossen hat, um danach die Waffe gegen sich selbst zu richten und seinem Leben ebenfalls ein Ende zu setzen.«
    Schnitt auf eine Videoeinspielung, in der Judes Farmhaus vor einem schmutzig weißen, konturlosen Himmel zu sehen war. In der Wendebucht standen kreuzund quer Streifenwagen, ein Krankenwagen stand rückwärts vor der Tür zu Dannys Büro.
    Beutel sprach im Off weiter: »Die Polizei steht erst am Anfang der Rekonstruktion der letzten Tage von Judas Coyne. Aussagen von Personen, die ihn kannten, deuten darauf hin, dass Coyne sich Sorgen um seinen Geisteszustand machte.«
    Die Einspielung sprang zu den beiden Hunden im Zwinger. Sie lagen in dem kurzen Stoppelgras auf der Seite. Keiner bewegte sich. Ihre Beine standen starr von den Körpern ab. Sie waren tot. Jude versteifte sich, als er die Bilder sah. Der Anblick war schlimm. Er wollte wegschauen, konnte sich aber nicht losreißen.
    »Die Beamten glauben auch, dass Coyne in den Todesfall seines persönlichen Assistenten verwickelt war. Der dreißigjährige Daniel Wooten wurde heute Morgen in seinem Haus in Woodstock tot aufgefunden. Die Polizei geht von Selbstmord aus.«
    Schnitt auf zwei Sanitäter, von denen jeder ein Ende eines durchhängenden blauen Plastikleichensacks hielt. Georgia seufzte leise und traurig, als einer der Sanitäter rückwärts in den Krankenwagen stieg und sein Ende des Sacks hochwuchtete.
    Beutel begann über Judes Karriere zu sprechen, dazu liefen Bilder von einem sechs Jahre zurückliegenden Auftritt in Houston. Jude trug schwarze Jeans und schwarze Stiefel mit Stahlkappen. Der nackte Oberkörper glänzte schweißnass, das bärenfellartige Brusthaar klebte ihm auf der Haut, der Bauch hob und senkte sich. Ein Meer aus einhunderttausend halbnackten Menschen tobte unter ihm, eine reißende Flut aus gereckten Fäusten, Crowdsurfer, die auf der wogenden Menschenmasse mal in die eine, mal in die andere Richtung trieben.
    Heroin und Aids hatten damals schon das Todesurteil über Dizzy gesprochen, auch wenn das außer Judenoch niemand wusste. Sie spielten Rücken an Rücken, der Wind wehte ihm Dizzys blonde Mähne ins Gesicht, blies sie ihm quer über den Mund. Es war das letzte gemeinsame Jahr der Band. Dizzy starb, Jerome starb, und dann war es vorbei.
    In dem Filmausschnitt spielten sie »Put You In Yer Place«, den Titelsong ihres letzten Albums, ihren letzten Hit, den letzten wirklich guten Song, den Jude geschrieben hatte. Der wütende, donnernde Sound des Schlagzeugs riss Jude aus dem Bann, in den ihn der Fernsehbericht geschlagen hatte. Das war wirklich gewesen. Houston war wirklich passiert. Diesen Tag hatte es wirklich gegeben. Den alles verschlingenden, wahnsinnigen Druck der Menge, den alles verschlingenden, wahnsinnigen Druck der Musik. Das war wirklich, das hatte es gegeben, und der ganze Rest war einfach nur …
    »Bullshit«, sagte Jude, und er drückte auf den Aus-Knopf der Fernbedienung. Der Fernseher wurde schwarz.
    »Das ist nicht wahr«, sagte Georgia, deren Stimme kaum mehr als ein Flüstern war. »Das stimmt doch alles nicht, oder? Wir werden doch nicht… Das passiert doch alles nicht, oder?«
    »Nein«, sagte Jude.
    Und dann leuchtete der Bildschirm wieder auf. Bill Beutel saß wieder mit durchgedrückten Schultern und ein paar Papierblättern in der Hand an seinem Sprecherpult und schaute in die Kamera.
    »Doch«, sagte Bill. »Ihr werdet beide sterben. Die Toten ziehen die Lebenden nach unten. Du wirst den Revolver in die Hand nehmen, und sie wird versuchen zu fliehen. Aber du wirst sie wieder einfangen, und dann wirst du sie …«
    Jude drückte wieder auf die Fernbedienung, schleuderte sie gegen den Bildschirm und machte zwei, drei schnelle Schritte nach vorn. Er stemmte einen Fuß gegenden Schirm, drückte das Bein durch und stieß das Gerät durch die offene Rückwand des Regals. Es schlug gegen die Wand, etwas leuchtete grell und weiß auf, wie von

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