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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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ist die, die ich wirklich bin, das ist mein wahrer Name.« Sie öffnete die Augen einen Spalt und lugte unter den Lidern hervor zu Jude. »Jetzt du.«
    Er wollte gerade anfangen, als sie die Hand hob.
    »Dein im Augenblick richtiger Name. Der Name, der zu deinem wahren Ich gehört. Wahre Namen sind sehr wichtig. In den exakten Worten steckt Energie. Genügend Energie, um die Toten zu den Lebenden zurückzuholen.«
    Er kam sich vor wie ein Idiot. Er hatte das Gefühl, dass das nie funktionieren würde, dass sie ihre Zeit verschwendeten und sich wie Kinder aufführten. Andererseits hatte ihm seine Karriere jede Menge Gelegenheiten beschert, einen Trottel aus sich zu machen. Einmal waren er und seine Band – Dizzy, Jerome und Kenny fürein Musikvideo in gespieltem Horror durch ein Kleefeld gelaufen, verfolgt von einem Zwerg, der ein verdrecktes Koboldgewand getragen und eine Kettensäge geschwungen hatte. Mit der Zeit hatte Jude eine Art Immunität dagegen entwickelt, sich wie ein Idiot vorzukommen. Wenn er also nicht gleich reagierte, so lag das nicht daran, dass er sich scheute, den Mund aufzumachen, sondern daran, dass er wirklich nicht wusste, was er sagen sollte.
    Schließlich schaute er Georgia an und sagte: »Mein Name ist … Justin. Justin Cowzynski. Glaube ich. Obwohl mich niemand mehr so genannt hat, seit ich neunzehn war.«
    Georgia schloss die Augen und zog sich in sich selbst zurück. Zwischen ihren schmalen Augenbrauen wurde eine Vertiefung sichtbar, eine kleine Denkerfalte. Sie sprach langsam und leise. »Das sind also unsere Namen, und wir möchten mit Anna McDermott sprechen. Justin und Marybeth brauchen deine Hilfe. Ist Anna da? Anna, wirst du heute mit uns sprechen?«
    Sie warteten. Die Rollos bewegten sich. Von der Straße hörten sie Kindergeschrei.
    »Ist da jemand, der mit Justin und Marybeth sprechen möchte? Anna McDermott, wirst du mit uns sprechen? Bitte. Wir sind in Schwierigkeiten. Anna. Bitte, hör uns an. Bitte, hilf uns.« Dann, fast flüsternd, sagte sie: »Los, komm schon, beweg dich.« Sie sprach zu der Planchette.
    Bon furzte im Schlaf. Ein quietschendes Geräusch, wie ein Fuß, der über nasses Gummi rutschte.
    »Mich hat sie nicht gekannt«, sagte Georgia. »Frag du nach ihr.«
    »Anna McDermott? Befindet sich eine Anna McDermott im Hause? Bitte melden Sie sich am Ouija-Informationsschalter«, sagte er mit der voluminösen, hohlen Stimme eines Ansagers.
    Georgia lächelte breit und humorlos. »Sind wir wieder so weit. Ich hab gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis du wieder mit deinen beschissenen Albernheiten anfängst.«
    »'tschuldige.«
    »Frag nach ihr. Ernsthaft.«
    »Es klappt nicht.«
    »Du hast es doch noch gar nicht versucht.«
    »Hab ich doch.«
    »Hast du nicht.«
    »Es klappt einfach nicht.«
    Er rechnete mit einer feindseligen oder ungehaltenen Reaktion. Stattdessen lächelte sie noch breiter und betrachtete ihn mit einer stillen Freundlichkeit, der er sofort misstraute. »Sie hat bis zum Tag ihres Todes auf einen Anruf von dir gewartet. Als wenn sie sich auch nur die geringste Hoffnung hätte machen können. Wie lange hast du eigentlich gewartet, bis du wieder losgezogen bist? Auf deine Amerika-Tour von Staat zu Staat, immer auf der Suche nach dem bequemsten Fick? Eine Woche?«
    Er errötete. Nicht mal eine Woche. »An deiner Stelle würde ich mich wieder abregen«, sagte er. »Die fragliche bequeme Nummer warst du.«
    »Ich weiß, und das widert mich an. Leg deine Scheißhand wieder auf den verdammten Zeiger! Wir sind noch nicht fertig hier.«
    Jude hatte die Hand von der Planchette genommen, schob sie bei Georgias Ausbruch aber gleich wieder zurück.
    »Ich bin angewidert von uns beiden. Von dir, weil du so bist, wie du bist, und von mir, weil ich dich damit durchkommen lasse. Los, ruf sie jetzt. Bei mir meldet sie sich nicht, aber vielleicht bei dir. Sie hat bis zum Ende auf deinen Anruf gewartet, und wenn du angerufen hättest, wäre sie sofort angerannt gekommen. Vielleicht tut sie das ja immer noch.«
    Jude schaute wütend auf das Brett, auf die altmodischen Buchstaben, auf die Sonne, den Mond.
    »Anna, bist du da irgendwo? Anna McDermott, wirst du dich melden und mit uns sprechen?«, sagte Jude.
    Die Planchette war totes, regloses Plastik. Seit Tagen hatte er sich in der Welt des Realen und Alltäglichen nicht mehr so verankert gefühlt. Es würde nicht funktionieren. Etwas stimmte nicht. Er musste sich zwingen, die Hand auf dem Zeiger lassen. Er

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