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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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hielt kurz inne und fügte dann hinzu: »Zwischen Sheryll und mir ist es nie wieder so geworden wie vorher. Wir haben zwar so getan, als hätten wir's abgehakt, aber danach waren wir nicht mehr so oft zusammen. Was mir ganz recht war. Denn da hatte ich schon angefangen, mit dem Freund von meinem Vater, diesem George Ruger, ins Bett zu gehen. Und ich wollte nicht, dass dauernd Freunde bei mir rumhängen und mich mit Fragen löchern, warum ich auf einmal so viel Geld habe.«
    Die Rollos bauschten sich auf und fielen wieder zusammen. Es wurde heller im Zimmer und dann wieder dunkler. Angus gähnte.
    »Also, was machen wir jetzt?«, fragte Jude.
    »Hast du das schon mal gespielt?«
    Jude schüttelte den Kopf.
    »Wir legen jeder eine Hand auf den Zeiger«, sagte sie und streckte die rechte Hand vor. Plötzlich überlegte sie es sich anders und wollte die Hand wieder zurückziehen.
    Doch da war es schon zu spät. Jude fasste sie am Handgelenk. Sie zuckte zusammen, als wäre das Handgelenk schon genauso empfindlich wie die Hand selbst.
    Vor dem Duschen hatte sie den Verband entfernt und noch keinen neuen angelegt. Beim Anblick der nackten Hand stockte Jude der Atem. Sie sah aus, als wäre sie stundenlang in Badewasser eingeweicht worden, die Haut schrumpelig, weiß, weich. Der Daumen war schlimmer geworden. Im Halbdunkel des Zimmers hatte er kurz den Eindruck, die Haut hätte sich fast völlig abgelöst. Die hochrote Farbe des entzündeten Fleischs war alarmierend. Die kreisförmige Infektion auf der Vorderseitedes Daumens war eine eingesunkene, gelbe Eiterfläche, die in der Mitte schwarz zu werden begann.
    »Großer Gott«, sagte Jude.
    Georgia machte mit ihrem zu blassen, zu schmalen Gesicht einen erstaunlich ruhigen Eindruck. Sie schaute ihn durch die schwankenden Schatten hindurch an. Dann riss sie die Hand zurück.
    »Willst du die Hand verlieren?«, fragte Jude. »Willst du austesten, ob man an Blutvergiftung sterben kann?«
    »Ich hab weniger Angst vorm Sterben als noch vor ein paar Tagen. Ist das nicht komisch?«
    Jude hätte gern etwas geantwortet, wusste aber nicht, was er hätte sagen sollen. Sein Inneres krampfte sich zusammen. Wenn sie nichts unternahmen, würde die Hand sie umbringen, das wussten sie beide, und doch hatte sie keine Angst.
    »Der Tod ist nicht das Ende«, sagte Georgia. »Das weiß ich jetzt. Wir beide wissen das.«
    »Das ist noch lange kein Grund, einfach so zu sagen, also gut, dann sterbe ich jetzt. Einfach aufzuhören, auf sich selbst aufzupassen.«
    »Ich sag doch nicht, dass ich jetzt sterben will. Ich sag nur, dass ich in kein Krankenhaus gehe. Wir haben das jetzt doch schon hundertmal durchgekaut. Du weißt genau, dass die uns nie mit den Hunden in die Notaufnahme lassen.«
    »Ich bin reich. Dann kommt der Arzt eben zu uns.«
    »Ich hab's dir schon mal gesagt. Ich glaube nicht, dass ein Arzt gegen das, was meiner Hand fehlt, irgendwas machen kann.« Sie beugte sich vor und klopfte mit den Knöcheln ihrer linken Hand auf das Ouija-Brett. »Das hier ist wichtiger als das Krankenhaus. Früher oder später schaltet Craddock die Hunde aus. Wenn du mich fragst, eher früher. Er findet schon eine Möglichkeit. Sie können uns nicht auf ewig beschützen. Wir leben von Minute zu Minute, das weißt du genau. Wennich sterben soll, okay, aber ich muss wissen, dass auf der anderen Seite nicht er auf mich wartet.«
    »Du bist krank. Du redest schon wie im Fieber. Ich will, dass du diesen Voodoo-Kram vergisst und dich endlich mit Antibiotika behandeln lässt.«
    »Und weißt du, was ich will?«, sagte sie und schaute ihm mit ihren lebhaften, leuchtenden Augen direkt ins Gesicht. »Dass du jetzt das Maul hältst und deine Hand auf den Zeiger legst.«
    30
    Georgia sagte, sie würde das Reden übernehmen, und legte die Finger ihrer linken Hand neben die von Jude auf den Zeiger – den man Planchette nannte, wie Jude jetzt wieder einfiel. Um sich zu beruhigen, atmete Georgia tief ein. Jude schaute sie an. Sie schloss die Augen. Dabei erschien sie ihm nicht wie jemand, der jeden Augenblick in einen mystischen Trancezustand hinübergleiten würde, sondern eher wie jemand, der das Grummeln in seinem Magen besänftigen wollte, bevor er von einem hohen Sprungbrett ins Wasser sprang.
    »Okay«, sagte sie. »Mein Name ist Marybeth Stacy Kimball. Ich hatte ein paar schlimme Jahre, in denen ich mich Morphine genannt habe. Der Typ, den ich liebe, nennt mich Georgia, obwohl mich das wahnsinnig macht. Aber Marybeth

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