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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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lag fest auf dem Zeiger. »Red mit ihr.«
    Er schaute wieder auf das Brett. Der schwarze Mond, der sich in einer der Ecken befand, lachte. Hatte er nicht gerade eben noch finster dreingeschaut? Ein schwarzer Hund, der unten auf dem Brett abgebildetwar, heulte ihn an. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er schon da gewesen war, als er das Brett ausgepackt hatte.
    »Ich wusste einfach nicht, wie ich dir helfen sollte«, sagte Jude. »Es tut mir leid, meine Kleine. Ich wollte, du hättest dich in jemand anderen verliebt. Ich wollte, du hättest dich in einen von den Guten verliebt. Jemanden, der dich nicht einfach weggeschickt hätte, als es schwierig wurde.«
    »B. I.S.T. D.U…«, las Georgia mit angestrengter, kurzatmiger Stimme. An ihrer Stimme konnte er hören, wie schwer es ihr fiel, das Zittern zu unterdrücken.
    »Bist. Du. Wütend.«
    Der Zeiger blieb stehen.
    Die Gefühle bestürmten ihn. Alles Mögliche kochte in ihm hoch, alles auf einmal. Er war sich nicht sicher, ob er sie in Worte fassen konnte. Aber er konnte, und es stellte sich als ziemlich einfach heraus.
    »Ja«, sagte er.
    Der Zeiger flog zum Wort NEIN.
    »Du hättest dir das nicht antun dürfen.«
    »W. A. S …«
    »Was. Antun«, las Jude. »Was antun? Du weißt, was. Selbstmord zu …«
    Der Zeiger schlitterte zurück zum Wort NEIN.
    »Was meinst du damit, nein?«
    Georgia sprach die Antwort laut aus: ein W, ein A, ein S.
    »Was. Wenn. Kann. Ich. Nicht. Beantworten.« Der Zeiger stand wieder still. Jude starrte einen Moment vor sich hin, dann verstand er. »Sie kann keine Fragen beantworten. Sie kann sie nur stellen.«
    Georgia buchstabierte schon weiter. »I. S. T. E. R …«
    Sie bekam einen Schüttelanfall und klapperte mit den Zähnen. Als Jude sie anschaute, sah er die dampfende Atemluft vor ihrem Mund, als befänden sie sichin einem Tiefkühlkeller. Jude merkte nichts davon, dass es wärmer oder kälter geworden wäre.
    Als Nächstes fiel ihm auf, dass Georgia weder ihre Hand auf dem Zeiger noch ihn oder sonst irgendwas anschaute. Ihr Blick war auf nichts gerichtet, die Augen starrten ins Leere. Wenn die Planchette einen Buchstaben berührte, sagte Georgia ihn laut an, aber sie schaute das Brett nicht mehr an. Sie sah nicht, was sich auf dem Brett tat.
    »Ist.« Jude las, während Georgia die Worte mit einem unnatürlich monotonen Ton buchstabierte. »Er. Hinter. Dir. Her.«
    Georgia hörte auf zu buchstabieren, und Jude erkannte, dass das eine an ihn gerichtete Frage war.
    »Ja, stimmt. Er glaubt, es war meine Schuld, dass du dich umgebracht hast. Und jetzt spielt er den Rächer.«
    NEIN. Die Planchette zeigte einen langen, nachdrücklichen Augenblick auf das Wort, bevor sie wieder über das Brett wuselte.
    »W. I. E. K. A …«, murmelte Georgia schnell.
    »Wie. Kannst. Du. Nur. So. Dumm. Sein.« Jude starrte stumm auf das Brett.
    Einer der Hunde auf dem Bett winselte.
    Dann verstand Jude. Für kurze Zeit war er ganz benommen und völlig desorientiert. Es war wie das Blutrauschen im Kopf, wenn man zu schnell aufstand. Es war ein bisschen wie der grässliche Moment, wenn das morsche Eis unter den Füßen nachgab und man einbrach. Es machte ihn fassungslos, dass er erst jetzt begriff.
    »Dieser Wichser«, sagte Jude mit vor Wut erstickter Stimme. »Dieser verdammte Wichser.«
    Ihm fiel auf, dass Bon aufgewacht war und besorgt auf das Ouija-Brett starrte. Auch Angus' Blick war auf das Brett gerichtet. Sein Schwanz klopfte auf die Matratze.
    »Was können wir tun?«, fragte Jude. »Er ist uns aufden Fersen, und wir wissen nicht, wie wir ihn loswerden sollen. Kannst du uns helfen?«
    Der Zeiger schwenkte herum und zeigte auf JA.
    »Die goldene Tür«, flüsterte Georgia.
    Jude schaute sie an – und schreckte zurück. Ihre Augäpfel waren nach oben gerollt, waren im Kopf verschwunden, nur noch das Weiße war zu sehen. Ein gleichmäßiges, heftiges Zittern hatte ihren ganzen Körper erfasst. Ihr ohnehin schon wachsfahles Gesicht hatte noch mehr an Farbe verloren, die Haut sah jetzt unangenehm durchscheinend aus. Ihr Atem dampfte. Als Jude das schabende Geräusch der Planchette hörte, schaute er nach unten und verfolgte die Bewegungen des wieder kreuz und quer auf dem Brett herumschießenden Zeigers. Georgia buchstabierte nicht mehr für ihn, also musste er sich die Worte selbst zusammensetzen.
    »Wer. Wird. Die. Tür. Sein. Wer wird die Tür sein?«
    »Ich werde die Tür sein«, sagte Georgia.
    »Georgia?«, sagte Jude. »Was redest du

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